H[per thou]rter als die Mullahs sind die Marken-Mullahs: Die Religion vom ºGeistigen Eigentum´ als blinder Fleck im Karikaturenstreit
Von Peter M[cedilla]hlbauer Im Karikaturenstreit wurde der ºWesten´ gemeinhin mit Presse- und
Meinungsfreiheit gleichgesetzt, die durch den Islam bedroht sei. Dabei
blieb auff[per thou]llig ausgeblendet, da[fl] es auch in dem, was Samuel P.
Huntington die westliche Zivilisation nennt, eine weniger sichtbare,
aber weitaus umfassendere, systemeigene Zensur gibt. W[cedilla]rden Moslems
ihren Propheten als Markenzeichen eintragen, h[per thou]tten sie gute Chancen,
die Karikaturen sofort und fast [cedilla]berall qua WTO und anderer
internationaler Organe zu unterbinden. Scientologen begriffen das eher:
1995 konnten sie wegen einer von ihnen als Verletzung des Urheberrechts
eingestuften Weitergabe von religi[^]sen ºGeheimnissen´ in
Scientology-kritischen Newsgroups die Herausgabe des Namens eines
Benutzers - eines anonymen Remailers in Finnland - erzwingen und
leiteten damit das Ende das Mythos vom unzensierbaren Internet ein. Die
Macht der Religion von ºGeistigen Eigentum´ sorgt daf[cedilla]r, da[fl] Anw[per thou]lte
die Meinungsfreiheit im Westen wesentlich umfassender einschr[per thou]nken, als
dies die Mullahs fordern. Gerade das Markenrecht, das eigentlich den
Konsumenten sch[cedilla]tzen soll, hat sich zu einer Hochburg der Zensur
entwickelt. Kaum jemand st[^][fl]t bei seiner t[per thou]glichen Arbeit so an die
Beleidigungsgrenzen traditioneller Religionen, da[fl] er Repressalien
f[cedilla]rchten m[cedilla][fl]te. Wer jedoch eine Website betreibt, Software schreibt,
Musik macht, sich einen Login-Namen bei eBay zulegt oder einfach nur in
einem Forum postet, ist jeden Tag den Zensurangriffen jener ausgesetzt,
die in der Religion vom ºGeistigen Eigentum´ den Pasdaran im Iran
entsprechen. Eine Abmahnung kann in Deutschland weitaus mehr
kosten als anderswo ein Gerichtsproze[fl], und sie kann jeden treffen:
Leute, die ahnungslos einen Login-Namen w[per thou]hlten, den sich eine Firma
hatte sch[cedilla]tzen lassen, die Links auf kostenlose Stadtpl[per thou]ne setzten oder
alte CDs auf eBay versteigerten, deren Programme einem
Technologieverbot zum Opfer gefallen waren. Technologieverbote, wie sie
die Religion vom ºGeistigen Eigentum´ im amerikanischen DMCA und in der
Europ[per thou]ischen Urheberrechtsrichtlinie durchsetzen konnte, sind
wesentlich einschneidendere Ma[fl]nahmen als etwa ein Bilderverbot - man
stelle sich nur einmal vor, die ºMullahs´ w[cedilla]rden ein Verbot von
Photoshop und Malstiften in Europa fordern, nicht zu vergessen
nat[cedilla]rlich das Weitersagen, wie man zeichnet. Aus diesen Gr[cedilla]nden findet
sich die von der d[per thou]nischen Zeitung Jyllands-Posten beklagte
Selbstzensur im Internet mittlerweile in weitaus gr[^][fl]erem Ausma[fl] als
anderswo. Die Religion vom ºGeistigen Eigentum´ f[cedilla]hrt - wie
andere Religionen auch - zu Vertreibungseffekten: Deutsche
DVD-Produzenten gehen nicht vorwiegend wegen Steuern oder gar
Lohnnebenkosten ins benachbarte Osteuropa, sondern wegen mehr
Rechtssicherheit - weil osteurop[per thou]ische L[per thou]nder nicht den
Standortnachteil Abmahnrecht aufweisen. Der Begriff
ºGeistiges Eigentum´ wird vor allem von der Medienindustrie und von ihr
eng verbundenen Politikern verwendet. Im deutschen Urheberrecht hat er
keine Tradition, seit er sich in den 1920er Jahren in einer
rechtswissenschaftlichen Diskussion als unbrauchbar erwies. In
deutschen Gesetzestexten ist statt dessen von ºUrheberrechten´,
ºNutzungsrechten´ und ºVerwertungsrechten´ die Rede. Die
Anwendung des Religionsbegriffs auf das Ph[per thou]nomen ºGeistiges Eigentum´
ist keine Metapher, sondern nur der konsequente Gebrauch eines
funktionalistischen Religionsbegriffs, der Religion als ein System von
Vorstellungen einer Seinsordnung definiert, das sich mit einer ºAura
von Faktizit[per thou]t´ umgibt. Das hei[fl]t, da[fl] die Gl[per thou]ubigen eine Religion
nicht als solche wahrnehmen m[cedilla]ssen. Im Gegenteil: Je
selbstverst[per thou]ndlicher Glaube, Riten und Regeln im Alltag erscheinen,
desto mehr entspricht sie der obigen Definition aus der V[^]lkerkunde. Traditionelle
Religionen und die vom ºGeistigen Eigentum´ [per thou]hneln sich teilweise
verbl[cedilla]ffend in ihren Glaubensvorstellungen. Viele Religionen m[^]chten
Menschen etwas glauben machen, was f[cedilla]r Au[fl]enstehende oft dem gesunden
Menschenverstand widerspricht: Etwa, da[fl] eine mit Allmacht
ausgestattete Entit[per thou]t Wert darauf legt, da[fl] man Quasten an seinen
Gew[per thou]ndern befestigt (5 Mose 22:12) oder da[fl] die Nennung eines
bestimmten Namens verboten ist, da[fl] nur Auserw[per thou]hlte mit einer
bestimmten ºLizenz´ dies d[cedilla]rfen - wie bei der Religion vom ºGeistigen
Eigentum´. Noch st[per thou]rker ist die [florin]hnlichkeit mit Basalreligionen. Ein
von Marcel Mauss behandeltes Ph[per thou]nomen erinnert stark an die DRM- und
Lizenz[^]konomie des beginnenden 21. Jahrhunderts: Bei den Toradja auf
Sulawesi herrschte die Vorstellung, da[fl] bestimmte Gegenst[per thou]nde nicht
wirklich ihrem Besitzer geh[^]ren, sondern in Wirklichkeit Geistern, von
denen er jeweils das Recht ºkaufen´ mu[fl], wenn er es gebraucht. [florin]hnlich
wie bei der Natur der Lehre von ºGeistigen Eigentum´ ein blinder Fleck
vorliegt, lag er beim Ph[per thou]nomen Zensur lange Zeit vor, wenn diese nicht
von Nationalstaaten, sondern von Unternehmen initiiert wurde.
Tats[per thou]chlich ist diese Form der Zensur auch keine reine Privatzensur,
sondern vielmehr eine ºAchse´ mit dem Staat als willf[per thou]hrigem
Gesetzgeber und als Sanktionsmacht. Die Fraktion der
Linkspartei gab sich am 26. Januar im Bundestagsplenum bei der
Umsetzung dieser Zensuraufgaben als noch fundamentalistischere
Anh[per thou]ngerin der Religion vom ºGeistigen Eigentum´ als die SPD. Eine
Versch[per thou]rfung der Monopolrechte der Medienindustrie, wie sie die
Regierungspartei plant, war ihr nicht weitgehend genug. Die Abfederung
der Versch[per thou]rfung durch die Einf[cedilla]hrung einer Bagatellklausel, die eine
Kriminalisierung weiter Teile der Bev[^]lkerung verhindern soll, wurde
von der Rednerin Lukrezia Jochimsen mit der Begr[cedilla]ndung abgelehnt, ºsie
w[cedilla]rde genau das schw[per thou]chen, was unsere Gesellschaft dringend braucht:
das Rechtsbewu[fl]tsein, welches geistiges Eigentum respektiert´. [Junge Welt]
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7:36:13 PM
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