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 Freitag, 24. Februar 2006

H[per thou]rter als die Mullahs sind die Marken-Mullahs: Die Religion vom ºGeistigen Eigentum´ als blinder Fleck im Karikaturenstreit

Von Peter M[cedilla]hlbauer

Im Karikaturenstreit wurde der ºWesten´ gemeinhin mit Presse- und Meinungsfreiheit gleichgesetzt, die durch den Islam bedroht sei. Dabei blieb auff[per thou]llig ausgeblendet, da[fl] es auch in dem, was Samuel P. Huntington die westliche Zivilisation nennt, eine weniger sichtbare, aber weitaus umfassendere, systemeigene Zensur gibt. W[cedilla]rden Moslems ihren Propheten als Markenzeichen eintragen, h[per thou]tten sie gute Chancen, die Karikaturen sofort und fast [cedilla]berall qua WTO und anderer internationaler Organe zu unterbinden. Scientologen begriffen das eher: 1995 konnten sie wegen einer von ihnen als Verletzung des Urheberrechts eingestuften Weitergabe von religi[^]sen ºGeheimnissen´ in Scientology-kritischen Newsgroups die Herausgabe des Namens eines Benutzers - eines anonymen Remailers in Finnland - erzwingen und leiteten damit das Ende das Mythos vom unzensierbaren Internet ein.

Die Macht der Religion von ºGeistigen Eigentum´ sorgt daf[cedilla]r, da[fl] Anw[per thou]lte die Meinungsfreiheit im Westen wesentlich umfassender einschr[per thou]nken, als dies die Mullahs fordern. Gerade das Markenrecht, das eigentlich den Konsumenten sch[cedilla]tzen soll, hat sich zu einer Hochburg der Zensur entwickelt. Kaum jemand st[^][fl]t bei seiner t[per thou]glichen Arbeit so an die Beleidigungsgrenzen traditioneller Religionen, da[fl] er Repressalien f[cedilla]rchten m[cedilla][fl]te. Wer jedoch eine Website betreibt, Software schreibt, Musik macht, sich einen Login-Namen bei eBay zulegt oder einfach nur in einem Forum postet, ist jeden Tag den Zensurangriffen jener ausgesetzt, die in der Religion vom ºGeistigen Eigentum´ den Pasdaran im Iran entsprechen.

Eine Abmahnung kann in Deutschland weitaus mehr kosten als anderswo ein Gerichtsproze[fl], und sie kann jeden treffen: Leute, die ahnungslos einen Login-Namen w[per thou]hlten, den sich eine Firma hatte sch[cedilla]tzen lassen, die Links auf kostenlose Stadtpl[per thou]ne setzten oder alte CDs auf eBay versteigerten, deren Programme einem Technologieverbot zum Opfer gefallen waren. Technologieverbote, wie sie die Religion vom ºGeistigen Eigentum´ im amerikanischen DMCA und in der Europ[per thou]ischen Urheberrechtsrichtlinie durchsetzen konnte, sind wesentlich einschneidendere Ma[fl]nahmen als etwa ein Bilderverbot - man stelle sich nur einmal vor, die ºMullahs´ w[cedilla]rden ein Verbot von Photoshop und Malstiften in Europa fordern, nicht zu vergessen nat[cedilla]rlich das Weitersagen, wie man zeichnet. Aus diesen Gr[cedilla]nden findet sich die von der d[per thou]nischen Zeitung Jyllands-Posten beklagte Selbstzensur im Internet mittlerweile in weitaus gr[^][fl]erem Ausma[fl] als anderswo.

Die Religion vom ºGeistigen Eigentum´ f[cedilla]hrt - wie andere Religionen auch - zu Vertreibungseffekten: Deutsche DVD-Produzenten gehen nicht vorwiegend wegen Steuern oder gar Lohnnebenkosten ins benachbarte Osteuropa, sondern wegen mehr Rechtssicherheit - weil osteurop[per thou]ische L[per thou]nder nicht den Standortnachteil Abmahnrecht aufweisen.

Der Begriff ºGeistiges Eigentum´ wird vor allem von der Medienindustrie und von ihr eng verbundenen Politikern verwendet. Im deutschen Urheberrecht hat er keine Tradition, seit er sich in den 1920er Jahren in einer rechtswissenschaftlichen Diskussion als unbrauchbar erwies. In deutschen Gesetzestexten ist statt dessen von ºUrheberrechten´, ºNutzungsrechten´ und ºVerwertungsrechten´ die Rede.

Die Anwendung des Religionsbegriffs auf das Ph[per thou]nomen ºGeistiges Eigentum´ ist keine Metapher, sondern nur der konsequente Gebrauch eines funktionalistischen Religionsbegriffs, der Religion als ein System von Vorstellungen einer Seinsordnung definiert, das sich mit einer ºAura von Faktizit[per thou]t´ umgibt. Das hei[fl]t, da[fl] die Gl[per thou]ubigen eine Religion nicht als solche wahrnehmen m[cedilla]ssen. Im Gegenteil: Je selbstverst[per thou]ndlicher Glaube, Riten und Regeln im Alltag erscheinen, desto mehr entspricht sie der obigen Definition aus der V[^]lkerkunde.

Traditionelle Religionen und die vom ºGeistigen Eigentum´ [per thou]hneln sich teilweise verbl[cedilla]ffend in ihren Glaubensvorstellungen. Viele Religionen m[^]chten Menschen etwas glauben machen, was f[cedilla]r Au[fl]enstehende oft dem gesunden Menschenverstand widerspricht: Etwa, da[fl] eine mit Allmacht ausgestattete Entit[per thou]t Wert darauf legt, da[fl] man Quasten an seinen Gew[per thou]ndern befestigt (5 Mose 22:12) oder da[fl] die Nennung eines bestimmten Namens verboten ist, da[fl] nur Auserw[per thou]hlte mit einer bestimmten ºLizenz´ dies d[cedilla]rfen - wie bei der Religion vom ºGeistigen Eigentum´. Noch st[per thou]rker ist die [florin]hnlichkeit mit Basalreligionen. Ein von Marcel Mauss behandeltes Ph[per thou]nomen erinnert stark an die DRM- und Lizenz[^]konomie des beginnenden 21. Jahrhunderts: Bei den Toradja auf Sulawesi herrschte die Vorstellung, da[fl] bestimmte Gegenst[per thou]nde nicht wirklich ihrem Besitzer geh[^]ren, sondern in Wirklichkeit Geistern, von denen er jeweils das Recht ºkaufen´ mu[fl], wenn er es gebraucht.

[florin]hnlich wie bei der Natur der Lehre von ºGeistigen Eigentum´ ein blinder Fleck vorliegt, lag er beim Ph[per thou]nomen Zensur lange Zeit vor, wenn diese nicht von Nationalstaaten, sondern von Unternehmen initiiert wurde. Tats[per thou]chlich ist diese Form der Zensur auch keine reine Privatzensur, sondern vielmehr eine ºAchse´ mit dem Staat als willf[per thou]hrigem Gesetzgeber und als Sanktionsmacht.

Die Fraktion der Linkspartei gab sich am 26. Januar im Bundestagsplenum bei der Umsetzung dieser Zensuraufgaben als noch fundamentalistischere Anh[per thou]ngerin der Religion vom ºGeistigen Eigentum´ als die SPD. Eine Versch[per thou]rfung der Monopolrechte der Medienindustrie, wie sie die Regierungspartei plant, war ihr nicht weitgehend genug. Die Abfederung der Versch[per thou]rfung durch die Einf[cedilla]hrung einer Bagatellklausel, die eine Kriminalisierung weiter Teile der Bev[^]lkerung verhindern soll, wurde von der Rednerin Lukrezia Jochimsen mit der Begr[cedilla]ndung abgelehnt, ºsie w[cedilla]rde genau das schw[per thou]chen, was unsere Gesellschaft dringend braucht: das Rechtsbewu[fl]tsein, welches geistiges Eigentum respektiert´.

[Junge Welt]


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