04.02.2003
Interview: J[cedilla]rgen Els[per thou]sser
Spezialkr[per thou]fte der USA bereits im Irak: Soll Kriegsvorwand inszeniert werden?
jW sprach mit dem Journalisten und Publizisten Peter Scholl-Latour
F: Sind Sie lebensm[cedilla]de, Herr Scholl-Latour?
Warum?
F: Sie wollen Ende der Woche in den Irak fliegen.
Ich reise [cedilla]ber Amman an. Ich war schon oft in brenzligen Situationen und wei[fl], wie ich mich zu verhalten habe. Das hei[fl]t nicht, da[fl] ich keine Angst habe. Ein Mensch ohne Angst ist unvorsichtig.
F: Wann wird der Krieg beginnen?
Ende Februar oder Anfang M[per thou]rz. Die Amerikaner sind wild entschlossen.
F: Und wenn sich die Beratungen im UN-Sicherheitsrat hinziehen?
Darauf nimmt Bush keine R[cedilla]cksicht. Er kann auch nicht l[per thou]nger warten, denn sp[per thou]ter wird es zu hei[fl] in der Region.
F: Aber Bush mu[fl] zumindest auf Blair R[cedilla]cksicht nehmen, oder? Beim Gipfeltreffen letzte Woche hat der Brite mehr Zeit von Bush erbeten.
Blair hat sich schon so weit aus dem Fenster gelehnt, der kann gar nicht mehr zur[cedilla]ck. Der mu[fl] hoffen, da[fl] alles gut geht.
F: Am morgigen Mittwoch will US-Au[fl]enminister Powell dem Sicherheitsrat wieder einmal Beweise f[cedilla]r die Gef[per thou]hrlichkeit des irakischen Regimes vorlegen. Versprechen Sie sich etwas davon?
Eigentlich nicht. Wie oft haben denn die Amerikaner schon Beweise angek[cedilla]ndigt? Und was ist mit den Hinweisen, die die CIA den Waffeninspekteuren geben wollte? Einige Hinweise sind durchaus erfolgt, aber als die Inspekteure ihnen nachgegangen sind, haben sie nichts gefunden.
Nat[cedilla]rlich hat Saddam Chemiewaffen. Aber was soll das hei[fl]en? Alle Staaten in der Region haben sie. Und wenn sie vernichtet werden, kann er sie in K[cedilla]rze wieder herstellen. Jeder kann Chemiewaffen herstellen. Das kann man in der Garage tun.
Ich bef[cedilla]rchte auch, da[fl] von den Spezialkr[per thou]ften der US-Army und der britischen SAS, die sich jetzt schon in geheimer Mission im Land befinden, dem Irak noch brisantes Material untergeschoben werden k[^]nnte ñ was dann die Inspekteure ganz zuf[per thou]llig finden w[cedilla]rden. Eine Inszenierung, ein inszenierter Kriegsvorwand. Wie beim Vietnam-Krieg der Tongking-Zwischenfall, der auch von den Amerikanern erfunden wurde, wie man heute wei[fl].
F: Erdogan, der neue starke Mann in der T[cedilla]rkei, hat darauf hingewiesen, da[fl] bereits US-Spezialeinheiten im Irak k[per thou]mpfen. Verwunderlich nur, da[fl] das irakische Regime mit diesem Punkt nicht in die Offensive geht.
Das liegt wohl daran, da[fl] Saddam die Hoffnung hat, den vollst[per thou]ndigen Bruch mit den Kurden noch zu vermeiden. Sie sind es ja, die das Einsickern der Spezialkr[per thou]fte der USA und Gro[fl]britanniens in ihr autonomes Gebiet im Nordirak zumindest tolerieren.
F: ºKampf dem Terror ñ Kampf dem Islam?´ lautet der Titel Ihres aktuellen Buches. Das Fragezeichen weist darauf hin, da[fl] Sie ein Gleichheitszeichen zwischen Islamismus und Terrorismus ablehnen.
Ja nat[cedilla]rlich. Man mu[fl] doch sehen, was sich aktuell abspielt: Washington hat angek[cedilla]ndigt, da[fl] es eventuell Atomwaffen einsetzen werde. Kein Wunder, da[fl] sich in dieser Situation terroristische Bewegungen formieren. Die haben zwar keine Atomwaffen, aber andere Mittel, um Schrecken zu verbreiten.
F: Hat Saddam mit diesen Leuten Kontakt? Immerhin versuchte er in den letzten Jahren, durch demonstrative Hinwendung zum Islam seine Basis in der Bev[^]lkerung zu erhalten. Sucht er gar den Schulterschlu[fl] mit Osama bin Laden, wie die US-Regierung behauptet?
Vollkommener Bl[^]dsinn. Freilich hat Saddam in den letzten Jahren einige Anleihen beim Islam gemacht, mit ºAllah uh akbar´ garniert er seither seine Reden, und beim Golfkrieg 1991 hat er gar zum Dschihad, zum Heiligen Krieg, aufgerufen ñ wozu er aus religi[^]ser Sicht nicht die mindeste Berechtigung hat. Aber er wei[fl], da[fl] der Fundamentalismus sein Todfeind ist und wird ihn auch weiterhin, wie schon in der Vergangenheit, gnadenlos bek[per thou]mpfen. Al Qaida ist im [cedilla]brigen keine weltweit agierende Untergrundarmee, wie man es bisweilen darstellt. Es gibt kein Hauptquartier und keinen Anf[cedilla]hrer. Es gibt terroristische Gruppen auf dem gesamten Globus, aber ihr Kontakt untereinander ist lose. Wenn sich im Irak solche Gr[cedilla]ppchen befinden, dann im Nordirak, also gerade in dem Teil des Landes, den Saddam nicht kontrolliert.
F: Sie kennen aus eigener Erfahrung die gesamte Region. Was wird sich demn[per thou]chst in der T[cedilla]rkei abspielen?
Die USA haben Durchmarschrechte f[cedilla]r 80000 Soldaten verlangt. Aber die t[cedilla]rkische Bev[^]lkerung ist mit gro[fl]er Mehrheit dagegen, und die seit kurzem amtierende AKP-Partei wurde bestimmt f[cedilla]r alles m[^]gliche gew[per thou]hlt ñ aber nicht daf[cedilla]r, den USA dabei zu helfen, ein anderes islamisches Land zu [cedilla]berfallen. Ihr Chef Erdogan gilt mittlerweile im Westen als weltoffen, aber man sollte sich nicht t[per thou]uschen, er ist ein sehr frommer Mann.
F: Die USA haben vier Milliarden Dollar Kredite in Aussicht gestellt ñ angesichts der galoppierenden Krise im Land nicht zu verachten. Und der t[cedilla]rkische Generalstab hat Bush schon gr[cedilla]nes Licht f[cedilla]r den Durchmarsch gegeben.
Der Generalstab steht der AKP kritisch gegen[cedilla]ber, da er sich als H[cedilla]ter der laizistischen Traditionen von Staatsgr[cedilla]nder Atat[cedilla]rk sieht und der L[per thou]uterung des Fundamentalismus in Gestalt der AKP nicht [cedilla]ber den Weg traut. Immerhin ist er massiv gegen die radikaleren Vorg[per thou]nger der AKP vorgegangen, hat zum Beispiel das Verbot der Refah-Partei betrieben. Jetzt werden die Gener[per thou]le mit einigem Wohlgefallen beobachten, wie sich die AKP angesichts des amerikanischen Ersuchens windet: Sie kann nicht nein sagen, sie kann nicht ja sagen. Das k[^]nnte zur Entzauberung der AKP f[cedilla]hren, die ja als unverbrauchter Hoffnungstr[per thou]ger die Wahlen gewonnen hat.
F: Man spricht schon von einer Domino-Strategie der USA im Nahen Osten. Wie in den siebziger Jahren, als nach dem Sieg der Kommunisten in Vietnam ein Dominostein nach dem anderen aus dem westlichen Einflu[fl]bereich herausfiel ñ nur dieses Mal umgekehrt. Welche L[per thou]nder sind das n[per thou]chste Ziel, sollten die USA den Irak besetzen?
Vor allem wird sich der Druck auf Syrien erh[^]hen. Von dort operiert die Hisbollah, die Israel am meisten Schaden zuf[cedilla]gen kann.
F: Und Saudi-Arabien? Das dortige Regime ist ja tats[per thou]chlich der gr[^][fl]te Finanzier des islamischen Terrorismus.
Zweifellos. Saudi-Arabien ist tats[per thou]chlich ein fundamentalistischer Staat, eine fundamentalistische Gesellschaft. Im Irak beispielsweise herrscht gro[fl]e Toleranz gegen[cedilla]ber den Christen, immerhin eine Million ñ eine solche Toleranz wie in Bagdad ist in Riad und Mekka unvorstellbar. Die Swissair durfte beispielsweise die saudischen Flugh[per thou]fen nicht anfliegen, weil sie auf der Heckflosse das Schweizer Kreuz hatte ñ f[cedilla]r die Saudis [per thou]hnelt es zu sehr dem christlichen Kreuz und ist damit verboten.
Oberfl[per thou]chlich bem[cedilla]ht sich das Regime um ein Auskommen mit den USA. Aber die f[cedilla]nftausend Prinzen leben in Saus und Braus und f[cedilla]rchten das Aufbegehren der moslemischen Massen im Land, einen fundamentalistischen Aufstand. Deswegen versuchen sie, sich freizukaufen, indem sie unter der Hand die Terrorgruppen finanzieren.
F: Sie sind ein Anh[per thou]nger der Idee vom starken Europa. Um sich der Hegemonie der USA zu entziehen, m[cedilla]sse Europa aufr[cedilla]sten.
Ich bin Gaullist, war es schon immer. De Gaulle hat eine klare Unterscheidung gemacht: In der Auseinandersetzung mit Moskau war er immer an der Seite der USA, in der Berlin-Krise etwa stand er f[cedilla]r einen ganz harten Kurs. Aber dann hat er Frankreich aus der milit[per thou]rischen Integration der NATO herausgef[cedilla]hrt.
F: Die EU sollte also die transatlanischen Bindungen kappen?
Wer ist denn die EU? Mit der Unterst[cedilla]tzung von acht Staaten f[cedilla]r den Kriegskurs von Bush hat sich doch gezeigt, wie es um die Einheit der EU bestellt ist. Unterschrieben hat dabei so ein Land wie Portugal, das bisher von Frankreich und Deutschland wirtschaftlich gep[per thou]ppelt worden ist, sich aber nun gegen Berlin und Paris stellt. Auf die EU kann man nur bedingt setzen. Was not tut, ist ein enger Zusammenschlu[fl] von Deutschland und Frankreich, das w[per thou]re ein Block mit 140 Millionen Menschen, das sind fast so viel wie in Ru[fl]land. Und dann m[cedilla]ssen diese beiden aufr[cedilla]sten.
F: Aufr[cedilla]sten? Birgt das nicht die Gefahr, zumindest mittelfristig, da[fl] es zu einer milit[per thou]rischen Konfrontation mit den USA kommt?
Die Proliferation von Massenvernichtungswaffen ist die reale Gefahr. Dagegen mu[fl] Europa gesch[cedilla]tzt sein, auch mit Atomwaffen.
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