Updated: 31.07.2009; 9:53:55 Uhr.


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 Donnerstag, 15. September 2005

Die Zukunft der B[cedilla]rgerrechte

Im Wahlkampf scheinen B[cedilla]rgerrechte kaum der Rede wert - stattdessen gibt es einen wahren Wettbewerb um Vorschl[per thou]ge f[cedilla]r deren Aush[^]hlung. Insbesondere G[cedilla]nter Beckstein, der M[^]chte-gern-Bundesinnenminister der CDU/CSU, und der noch Amtierende Sozialdemokrat Otto Schily schaukeln sich immer wieder gegenseitig hoch mit ihren extremistischen Forderungen. Einsatz der Bundeswehr im Innern - das hei[fl]t: auf Krieg gedrillte Soldaten als Hilfspolizisten; Verzahnung von Polizei und Geheimdiensten - also eine Machtkonzentration, die kaum noch kontrollierbar sein wird; pr[per thou]ventive Sicherungshaft f[cedilla]r "gef[per thou]hrliche" Personen - letztlich eine Ma[fl]nahme aus dem Arsenal von Diktaturen; verst[per thou]rkte Video[cedilla]berwachung im [^]ffentlichen Raum, obwohl damit allenfalls Sicherheit vorget[per thou]uscht w[cedilla]rde...

Angesichts der Terrorgefahr scheinen allzu viele diesen unhaltbaren Sicherheitsversprechen Glauben zu schenken. "Angst ist das Schmier[^]l der Staatstyrannei" - ein Motto, das drohend [cedilla]ber dem Niedergang der B[cedilla]rgerrechte schwebt. Die Deutschen gelten als [per thou]ngstliches Volk mit einem ausgepr[per thou]gten Sicherheitsbed[cedilla]rfnis. Schon seit l[per thou]ngerem erleben wir einen Niedergang ihres "Sicherheitsgef[cedilla]hls". Doch Angstgef[cedilla]hle und reale Sicherheitslage fallen weit auseinander - denn Deutschland z[per thou]hlt bekanntlich zu den sichersten L[per thou]ndern der Welt. Trotzdem gilt das "Sicherheitsgef[cedilla]hl" als Gradmesser der herrschenden Sicherheitspolitik, an dem kein Politiker und keine Partei glaubt vorbeizukommen, wenn sie denn gew[per thou]hlt werden wollen. Allzu oft tritt massenmediale Emotion an die Stelle von Vernunft - insbesondere nach spektakul[per thou]ren Kriminalf[per thou]llen oder Gewaltakten. So wird der in weiten Teilen der Bev[^]lkerung ohnehin vorhandene Hang zu einfachen und autorit[per thou]ren "L[^]sungen" verst[per thou]rkt; st[per thou]ndig werden wir mit Gesetzesversch[per thou]rfungen und Aufr[cedilla]stungsma[fl]nahmen konfrontiert - eine staatsgewaltige Spirale ohne Ende, doch das Sicherheitsgef[cedilla]hl der Bev[^]lkerung l[per thou]sst sich auch damit allenfalls kurzzeitig bes[per thou]nftigen. Gleichwohl ist eine erkleckliche Mehrheit der Bev[^]lkerung allzu leicht bereit, f[cedilla]r vermeintlich mehr Sicherheit treuherzig eigene Freiheitsrechte zu opfern - nach dem schlichten Motto: "Ich habí ja nichts zu verbergen."

Vor dem massenmedial inszenierten Schreckensbild vom "Tatort Deutschland" haben politische Hardliner aller Couleur schon in den 90er Jahren eine populistische "Sicherheitspolitik" betrieben - eine Politik, die nicht nur den aufgeputschten b[cedilla]rgerlichen Angsthaushalt bediente, sondern gleich auch die passenden Feindbilder und S[cedilla]ndenb[^]cke pr[per thou]sentierte. Waren es fr[cedilla]her "Kommunisten", sp[per thou]ter "Linksextremisten", Terroristen und ihre Sympathisanten, so gelten seit den 90er Jahren als Bedrohungspotentiale vor allem "Organisierte Kriminelle"und "kriminelle Ausl[per thou]nder"; aber auch "Asylanten", Punks, Drogenabh[per thou]ngige, aggressive Bettler und Obdachlose - einfach Fremde, Ausgegrenzte und unliebsame Minderheiten, denen auch weite Teile der Bev[^]lkerung mit Argwohn begegnen. Inzwischen, nach dem 11. September 2001, sind "islamistische Extremisten" und der "internationale Terrorismus" hinzugekommen. Solche Bedrohungsszenarien dienen als publikumswirksame Legitimationen f[cedilla]r weitere staatliche Nachr[cedilla]stungsma[fl]nahmen - obwohl an ihrer Effizienz zu zweifeln ist. Demgegen[cedilla]ber ist von einer Bek[per thou]mpfung der Ursachen und Bedingungen von Kriminalit[per thou]t, Gewalt und Konflikten kaum noch die Rede.
Menschenrechte in Zeiten des Terrors - ein wahrlich finsteres Kapitel: Der "Antiterror-Krieg" nach dem 11. September 2001 hat nicht nur au[fl]enpolitisch eine Periode des permanenten "Ausnahmezustands" eingel[per thou]utet, sondern auch im Inneren der westlichen Demokratien. Wir sind Zeugen einer Demontage hergebrachter Standards des V[^]lkerrechts, der B[cedilla]rgerrechte und rechtsstaatlicher Prinzipien - vieler zivilisatorischer Errungenschaften also, die [cedilla]ber Jahrhunderte m[cedilla]hsam, unter schweren Opfern, erk[per thou]mpft worden sind. Als Reaktion auf den Terror sind hierzulande die umfangreichsten "Sicherheitsgesetze" in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte in Kraft gesetzt worden - mit zahlreichen Befugniserweiterungen f[cedilla]r Polizei und Geheimdienste.

Nur ein Beispiel: K[cedilla]nftig werden biometrische Daten wie digitale Gesichtsbilder und Fingerabdr[cedilla]cke in die Ausweispapiere aller Einwohner aufgenommen und auf Chips gespeichert. Alle, die k[cedilla]nftig einen Ausweis beantragen, werden also biometrisch vermessen - m[cedilla]ssen sich behandeln lassen wie bislang nur Tatverd[per thou]chtige oder Kriminelle f[cedilla]r eine erkennungsdienstliche Behandlung. Eine grandiose Misstrauenserkl[per thou]rung an die Bev[^]lkerung, die den Menschen zum blo[fl]en Objekt staatlicher Sicherheitspolitik degradiert.

Da wird uns das Lachen noch vergehen, denn ein solches wird auf den Digitalfotos verboten sein - offene M[cedilla]nder oder blitzende Z[per thou]hne k[^]nnten n[per thou]mlich die Scanner irritieren. Lediglich ein leichtes Grinsen mit geschlossenen Lippen und bei ansonsten neutralem Gesichtsausdruck wird noch statthaft sein.

Die meisten Gesetzesversch[per thou]rfungen taugen nur wenig zur Bek[per thou]mpfung eines religi[^]s aufgeladenen, selbstm[^]rderischen Terrors; sie schaffen kaum mehr Sicherheit, gef[per thou]hrden aber die Freiheitsrechte um so mehr. Mit den so genannten Otto-Katalogen des Herrn Schily hat sich ein Trend fortgesetzt, der schon l[per thou]ngere Zeit zu beobachten ist: n[per thou]mlich die Erh[^]hung der Kontrolldichte in Staat und Gesellschaft. Die meisten Antiterrorma[fl]nahmen folgen einer Pr[per thou]ventionsstrategie, die allm[per thou]hlich jedes Ma[fl] [cedilla]bersteigt: Die Unschuldsvermutung, eine der wichtigsten rechtsstaatlichen Errungenschaften, verliert in dieser Sicherheitskonzeption ihre Macht begrenzende Funktion. Der Mensch wird zum potentiellen Sicherheitsrisiko, der seine Harmlosigkeit und Unschuld nachweisen muss - ein paar Brocken arabisch und ein Rucksack, wie k[cedilla]rzlich in Hamburg, k[^]nnen Menschen schon in eine solche Situation bringen. Und die ÑSicherheitì wird zum Supergrundrecht, das die tats[per thou]chlichen Grundrechte der B[cedilla]rger in den Schatten stellt.

Doch in schwieriger Zeit scheint alles erlaubt, was angeblich n[cedilla]tzt. Seit den Terroranschl[per thou]gen vom 11. September scheint es keine Tabus mehr zu geben. So k[^]nnen seit kurzem auf Befehl des Verteidigungsministers gekaperte Passagierflugzeuge durch das Milit[per thou]r pr[per thou]ventiv abgeschossen werden, um m[^]gliche Anschl[per thou]ge aus der Luft zu verhindern - eine staatliche Lizenz zum gezielten T[^]ten. L[per thou]ngst sind auch hierzulande rechtsstaatliche D[per thou]mme geborsten, b[cedilla]rgerrechtliche Tabus gebrochen. Wo soll das alles enden? Wer stoppt den sicherheitsextremistischen Wahnsinn?

Die Antwort: Weder eine schwarz-gelbe noch eine rot-gr[cedilla]ne Koalition - und genau hier liegt das Problem der anstehenden Wahl. Aus B[cedilla]rgerrechtssicht m[cedilla]ssen wir vor Schily und seinem "3. Otto-Katalog" ebenso warnen wie vor Becksteins "Folterinstrumenten". Oder glaubt jemand tats[per thou]chlich, das seien alles nur wahltaktische Extremforderungen, die mit den Gr[cedilla]nen oder der FDP als Juniorpartner nicht durchzusetzen w[per thou]ren? Nein, mit der FDP war unter Kohl & Kanther so ziemlich alles m[^]glich. Sie hat ihren Ruf als B[cedilla]rgerrechtspartei schon damals ramponiert. Und nach sieben Jahren gr[cedilla]ner Regierungsbeteiligung m[cedilla]ssen wir erkennen, dass sich der kleine Gr[cedilla]ne dem Zuchtmeister Otto Schily und der gro[fl]en SPD-Domina besonders tief beugen musste und widerstandslos gebeugt hat. Letztlich hat Rot-Gr[cedilla]n bereits Becksteinsche Politik betrieben - worunter viele Gr[cedilla]ne enorm gelitten haben. Sie hatten in der Regierung einen Ruf zu verlieren: den, eine B[cedilla]rgerrechtspartei zu sein. Jetzt sind sie ihn erst mal los, ohne es selbst wahrhaben zu wollen.

Eines d[cedilla]rfte feststehen: Weder in einer hoch technisierten Risikogesellschaften, in der wir leben, noch in einer liberalen und offenen Demokratie kann es einen absoluten Schutz vor Gefahren und Gewalt geben. Unhaltbare Sicherheitsversprechen und das Streben nach totaler Sicherheit bergen vielmehr totalit[per thou]re Z[cedilla]ge. Sie k[^]nnen zerst[^]ren, was sie zu sch[cedilla]tzen vorgeben: n[per thou]mlich die Freiheit. Die Frage stellt sich wirklich: K[^]nnte es nicht sein, dass die sicherheitspolitischen Reaktionen auf die Terroranschl[per thou]ge weit gr[^][fl]eren, nachhaltigeren Schaden an Demokratie und Freiheit anrichten, als es die Anschl[per thou]ge selbst vermochten?

Eine liberale und demokratische Gesellschaft und ein ebensolcher Rechtsstaat d[cedilla]rfen sich deshalb nicht allein auf Symptome des Terrors und auf polizeiliche, geheimdienstliche oder gar milit[per thou]rische Antiterror-Reaktionen konzentrieren. Wir brauchen stattdessen einen umfassenderen Sicherheitsbegriff, der auch an den Ursachen und Bedingungen von Terror und Gewalt ansetzt. Es geht um politische L[^]sungsans[per thou]tze, um Aufkl[per thou]rung, kluge Entwicklungshilfe- und Au[fl]enpolitik. Wir m[cedilla]ssen aber unseren Blick auch [cedilla]ber Parlament, Partei- und Regierungspolitik hinausrichten auf eine sich formierende au[fl]erparlamentarische Opposition. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Verteidigung und Inanspruchnahme elementarer Freiheits- und B[cedilla]rgerrechte - und damit eben auch um die Aktionsbedingungen von nationalen und internationalen Protest- und Widerstandsbewegungen, die f[cedilla]r eine andere, f[cedilla]r eine gerechtere Welt k[per thou]mpfen. Und nur eine solche Welt kann sowohl dem internationalen Terror als auch dem staatlichen Gegenterror den N[per thou]hrboden entziehen.

[WDR 3, Resonanzen]


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