das problem mit - und das gute an - der medien-perspektive ist, dass sie verlangt, sich den common sense abzugewöhnen. in der medienwelt geht es zuerst eben nicht um "leute", "menschen", "gefühle", die "vermittelt" und "ausgedrückt" werden. sondern es geht genau um den umgekehrten prozess.
Wobei das interessante am web und an der neuen medien-kultur ist, dass sich der common sense selbst zu ändern scheint: er wird postmodern. was vorher als hyperabstraktes akademische geheimwissen gehandelt und behandelt wurde, wird für jeden blogger und big brother-fan offensichtlich:
eine community beste1ht nicht aus leuten. sie besteht aus kommunikationen. (vgl. foucault, vgl. luhmann.)
so wie auch eine party nicht aus leuten besteht, sondern aus kommunikationen. so wie ein blog nicht aus gedanken besteht, sondern aus kommunikationen. so wie die blogosphere aus einer struktur von kommunikationen besteht.
und umgekehrt gilt dasselbe:
da, wo ein cluster oder eine wolke von kommunikationen sich bildet, relativ stabil in der zeit durch regelmäßige updates, da entsteht (?emergiert?) eine community. d.h. eine eigenständige einheit, die dann selbst wieder kommunikationen erzeugt/provoziert.
die einzahl von community ist "person".
("ich bin in der überzahl" scheint übrigens von herzogs fitzcarraldo-film zum post-sponti-sprüchlein heruntergekommen zu sein.)
deshalb bedeutet also auch blogging "writing yourself into existence" (david weinberger-zitat), so wie konversation bedeutet: "speaking yourself into existence".
/ml
immer noch bei der suche nach der wissenschaftstauglichen definition von ?media? ... kulturalistisch statt technizistisch, nicht zu anthropologisch-allumfassend und nicht zu common-sense-haft ...
hier mein eigener versuch, v 1.0.
hier die kritik von florian cramer, literatur- und "harter" neue-medien-wissenschaftler an der fu berlin, moderator der netzkultur-liste rohrpost (homepage hier). er hält den begriff überhaupt für wenig brauchbar: zu verschwurbelt, aufgeladen mit spiritistischen konnotationen. Er will -- (wenn überhaupt) "Medium" streng als Übertragungskanal definieren. (hier meine antwort auf die kritik, dann noch mal cramer und noch mal ich.)
Bevor man also, wie Du es vorschlägst, 'Medienwissenschaft' als kulturhistorische Untersuchung der Rede von 'den Medien' betreibt, muß man erst einmal das tote Holz und die Mißverständnisse abräumen, die sich mit den Begriffen 'Medien' und 'Medienwissenschaften' verbinden.
so cramer, der auf seiner homepage ein plädoyer [ pdf ] für eine "textwissenschaft des digitalen", in abgrenzung zum computer-als-neues-medium-konzept, anbietet, gehalten auf dem germanistentag 2001.
hier zum vergleich noch mal die "vorläufige und kumulative" mediendefinition meines lieblings-medienwissenschaftlers hartmut winkler, auf die ich schon mal verlinkt habe, publiziert 01/2004 in "medienwissenschaft".
mir selbst ist das zu vage und zu groß angelegt: eher ein (gutes) forschungsprogramm als eine definition. alles, was im zusammenhang mit dem phänomen "medien" interessant sein kann, soll da platz haben. dabei ist winklers grundanliegen, wie er es im vorwort zu seinem demnächst erscheinenden stw-buch "diskursökonomie" formuliert, sehr sympathisch:
da muss man aber, glaube ich, unterscheiden zwischen den "medien" als komplexe, aber definierbare und analysierbare binnenstruktur und den größeren strukturellen zusammenhängen, deren zentrale schnittstelle "die medien" als soziokulturelles phänomen bezeichnet.
/mf
...beweist damit, dass er es war (Kierkegaard).
All-Time Most Bestest Google Referrer Ever (so far): *.
/mf
Peymann im Henrichs-Interview (Vorsicht: SZ-Halbwertszeit):
Ist das in obigem Zitat mit Erstaunen zum Ausdruck gebrachte der Grund dafür, warum sich auch der folgende Ausspruch von Peymann irgendwie nach Generationenkonflikt anhört?
Ich muss zugeben, dass ich mir das bisher nie so recht überlegt habe: Was, wenn Pop nicht zeitlos wäre?
/mf (Pop)
was ist das eigentlich: pop? warum riecht er so komisch? eine ernste frage von weltstaatstragender bedeutung, wie ein generationsgenosse konstatiert:
Die Generation Pop hat gelernt zu moderieren statt zu rebellieren. ... "No more fucking Rock'n'Roll" stand auf unseren T-Shirts. Was anfangs die Moderation zwischen Heaven 17 und Palais Schaumburg war, wurde zur Moderation zwischen A&R und Vertrieb, zwischen deutscher Geschichte und internationalem Horizont, zwischen Pop und Politik. ... Was die Musikindustrie momentan als Krise erfährt, relativ früh auf Grund unserer Position als industrielle Avantgarde, ist eine grundsätzliche gesellschaftliche Verschiebung: Wir verlassen das Massenzeitalter. Wir betreten das Individualzeitalter. ... Der Berliner Republik droht ein Legitimationsproblem als Staatsgefüge angesichts der umfassenden Individualisierung unserer Gesellschaft. Wir, als Musikindustrie, haben die Aufgabe, das beginnende Individualzeitalter zu moderieren. Es ist unsere Verantwortung, den Einzelnen in kulturelle Gemeinschaftserlebnisse zu integrieren. Es wird zur Überlebensaufgabe unserer Gesellschaft, kollektive Themen und Mythen zu finden und zu besetzen.
so der pop-Manager tim renner (40), bis vor kurzem chef von universal music/polygram deutschland. in der neuen SZ setzt der pop-kritiker dirk peitz seine analyse des "reformstau des pop" dagegen (link verfällt nach ein paar tagen):
dazu passt: kürzlich habe ich nachts im auto den br-zuendfunk nachtmix gehört. am mikrofon: michael miesbach, ein sympathischer bekannter aus jugendzeiten. generation pop. seine sendungen tragen titel wie slow beats - instrumentaler hiphop und umgebung. -- techno ist jazz. carl craig - porträt eines pioniers der 90er jahre. -- electronica - zwischen kammermusik und tanzfläche. kommentiert mit einer fachmann-stimme, wie sie seinerzeit nachts am selben sendeplatz die sektiererischsten und akademischsten jazz- und musica-viva-nerds hatten. es war gespenstisch. (ich erinnere mich noch daran, dass er früher mal fan der brillanten buzzcocks war.)
mein radio-pop-wiedergeburtserlebnis hatte ich dagegen auch erst vor kurzem, seit ich nämlich fm4 im auto höre: die morning show (unofficial stream hier). mit einer indie-pop-playlist (großartiger service: die fm4-tracklist-suche), die tatsächlich noch etwas vom alten geist vermittelt (nur dass damals das radio viel schlechter war). mit stuart freeman, meinem lieblingsmoderator mit meinem lieblingstonfall (blackpool-akzent).
(großer seufzer:) ein wenig an den großen mtv-vj ray cokes (!) erinnernd. pop ist ja eine britische erfindung, wie man weiß. und ein blick auf freemans photo dann natürlich: er ist ein alter sack. wie ich. wie pop. und wie peter praschl, der gerade einen olaph-dante-marx essay von 1983 in form von erratika-comments blogstreamt.
/ml (pop)
ein alter blogdialog, geführt von offenkundig alten säcken (wie mir selbst) und passender weise nur noch über den google-cache zugänglich. historie und prähistorie, frisch aus dem archiv. zuerst malorama, der jugenderinnerungen an "die innenwelt der außenwelt der innenwelt" nachhängt (am 22.04.01):
genau: die japanische hitparade. ein seltsam brillanter text zwischen konkreter literatur, strukturalistischer avantgarde und eben, eh, popliteratur. in reaktion darauf sofa/praschl am selben tag:
der coolste alte handke-text aus der zeit als er POP war (1965 - 1969), den ich auf die schnelle im web gefunden habe, ist dieser ausschnitt aus ich bin ein bewohner des elfenbeinturms, wieder nur im cache.
da bietet sich dem archäologen der sprung zur auch schon altersweisen DJane amina handke an, die 2002 "popliteratur" anders deutete: als DJ-gig im robert-musil-insititut für literaturforschung. geboren im april 1969, zeitgleich mit dem erscheinen von "die innenwelt ..." und dem beginn der "deutschen hitparade" im zdf.
das passt: da war THE GOLDEN ERA OF POP zu ende (1964 - 1969) und es begannen DER ROCK (in all seinen eher unerfreulichen erscheinungsformen, die merkwürdiger weise gerade wieder als cool gelten) sowie der MAINSTRAM POP und PORNO (für die dasselbe gilt). die suche mit abba+porno legt übrigens nahe, dass es sich tatsächlich um eng verwandte (un)ästhetische phänomene handelt: Super Abba fakes nue porno pas cher! Ici nous avons plus de porno nue Abba. Abba nue! Abba porno! Abba video nue Pour des liens Abba cliquez ici! retour Sexe
/ml (pop)
1.041.756 Essays hat der fleißige Postmodernism Generator laut dortigen Angaben seit dem Jahr 2000 produziert. Sehr Brav. [ via romblog. Danke für den Hinweis.]
Das technische Paper dazu (A.C. Bulhak: "On the Simulation of Postmodernism and Mental Debility Using Recursive Transition Networks." (1996) [ ps ]) erklärt, wie die zugrundeliegende Grammatik ungefähr aussieht:
| "the subject is " neut-verb>past-tensify " into a " term>strip_the " that includes " big-abst-thing " as a " big-singular-thing ". "
Das liefert Sätze wie z.B. "The subject is interpolated into a structuralist subcapitalist theory that includes sexuality as a whole." (Hans E. Geoffrey und B. Linda Sargeant: "Subdeconstructive capitalism in the works of Rushdie"). Verschiedene solche über Schablonen generierte Sätze ergeben dann einen Text, in dem es von non-sequiturs nur so wimmelt -- was man auf den ersten Blick aber nicht ohne Weiteres erkennt. Küchenpsychologische Beobachtung: im Zweifelsfall neigt man als Leser dazu, einen inhaltlichen oder logischen Zusammenhang anzunehmen, auch wenn dieser unklar sein sollte. (Sinnunterstellung per default.) Das funktioniert natürlich mit semantisch unklaren Begriffen umso besser.
Mit diesem und ähnlichen Schmähs werden im Wesentlichen seit 13 Jahren die Loebner Contests (dem Selbstverständnis nach die praktische Umsetzung des Turing Tests) gewonnen. Klassiker aus dem Bereich Loebner-Dialogsysteme:
Jason L. Hutchens: "How to Pass the Turing Test by Cheating." [ pdf ].
Da werden sie alle vorgestellt: die alte ELIZA, PARRY (Colbys Jahrtausend-Aufsatztitel dazu: "Modeling a Paranoid Mind"), Winograds SHRDLU, der PC Therapist, TIPS, FRED, Hutchens' MegaHAL und Andere).
Letztes Jahr hat übrigens JABBERWOCK von Jürgen Pirner gewonnen, mit dem man sich online (nicht) unterhalten kann. Hat sich nicht so viel getan seit Eliza.
/mf
In den Köpfen der Internet-Nachrichtenmacher spukt hartnäckig ein Fabelwesen: Der namenlose User, bewaffnet mit Stoppuhr und eigenem Agentur-Ticker, immer auf der Jagd nach dem zweitschnellsten Online-Angebot. So wenig die Welt "old news" braucht - so sehr kann sie auf unprofessionelle Schnellschüsse verzichten. Klaus Meier rät Online-Journalisten, wieder Mut zur Langsamkeit zu entwickeln - denn welcher Anbieter ein Thema am schnellsten publizieren konnte, interessiere den User schließlich "nicht die Bohne". [ via reisenotizen ]
Sonst setzt es eben Schlagsöcke ab. [ via camp catatonia ]
Neues Layout des Standard: ich weiß nicht recht.
/mf
On the tenth day, images begin to ooze, like confessions. (Script: La jetée)
Die letzten Tage: Opfer von ausgeprägter Marker/Kurosawa-Hysterie. Marker: La jetée (1962), Sans soleil (1982), AK (1985); Kurosawa: Seven Samurai (1954), Le château de l'araignée (=Kumonosu Jo, 1957). So viel zeitlose Bildästhetik passt gerade noch in vier Tage DVD-Wahnsinn.
Note to self: La jetée-Zeitachsen-pointers vom Guardian:
-
l. j. => Cameron: Terminator (hmm...)
-
l. j. => Gilliam: 12 Monkeys (klar)
-
l. j. => Herek: Bill & Ted's Excellent Adventure (echt?)
-
l. j. => Leiner: Dude, Where's My Car? (echt? nicht gesehen.)
-
l. j. => Simpsons ["Halloween Special"] (welche Folge?)
-
l. j. => Romanek: Jump They Say-Video für Bowie (klar)
Selbst die besseren Re[f|v]erenzen, die ich im Auge habe, tun dem Original Gewalt an, die man vielleicht doch besser unterlassen hätte. Aber was da sonst noch so in der Liste schwirrt... Bin mir noch nicht sicher, ob ich dem allem nachgehen möchte.
/mf (Film, Materialsammlung)
Postings alt sind wir. Immerhin.
Wer Weblogs mit emphatischem Literatur-Look&Feel mag (praschl (sofa), bov (Eier, Erbsen, usw.), gesprächsfetzen -- mehr? kurz: Blogroll von erratika) -- oder wer rausfinden möchte, ob, der kann mal das Dossier in der Jungle World versuchen, mit Vorwort von praschl. Weblog goes Lesung goes Print (aber natürlich auch Online-Version).
/mf (Blogging; Short is the New Long;)
hier ein abstract im wortsinn. es fühlt sich seltsam an, so was in ein blog über medien zu schreiben. und trotzdem gehört es hierher, im weiteren umfeld der semantic cloud-thematik.
ich war immer sicher, dass mein lieblings-theoriebuch, "archäologie des wissens", einen schlüssel zu analyse von medientexten aller art enthält.
bei "new media" (tv/av und pc/www) ist ja klar, viel klarer noch als bei den versunkenen druckschrift/bildungskulturen, die foucault gegen den strich analysierte, dass das entscheidende element, auf dem das system sich aufbaut, die "aussage" ist. und eben nicht "die botschaft", die geschlossene einheit einer "sendung", die intention des autors oder des sprechers ...
aber es steht ja alles schon örtlich in der archäologie, wie ich erst jetzt gemerkt habe, als ich über die englische version des eingangskapitels stolperte. wahrscheinlich hat es wirklich mit der sprache zu tun: medientheorie muss man in englisch denken (weniger in deutsch oder auch französisch).
und hier the master's voice:
genau das ist es, was getan werden muss (aber man sollte den restlichen text auch lesen). und hier noch ein guter, "macht"-zentrierter essay zu foucault als theoretiker der "(mass) media". (ein eigenes posting zu foucault und new media studies folgt später.)
aber ich persönlich denke ja, dass der derzeit so populäre macht-foucault nur adäquat verstanden werden kann, wenn man den unpopulär-strukturalistischen archäologie-foucault begriffen hat.
/ml
eine frage, die nicht minder ungeklärt ist wie die frage, was das eigentlich ist: "the media". aber es gibt sie ja schon, die globale neue medien-universität, erreichbar im web. und man darf überall studieren, bei den besten. wie sehen dann die "new media studies" der zukunft aus, von denen mindestens seit 5 jahren klar ist, dass wir sie dringend als kerndisziplin künftiger universitäten brauchen? hier meine lieblingsdozenten als surf-tour, mit vielen pflicht-downloads:
in paderborn hartmut winkler ("docuverse", zu "zapping" u.v.a.). beinahe der einzige deutsche, der "die medien" als ganze in den blick nimmt, web, tv und film, zugleich praxisorientiert-analytisch und auf der vollständigen grundlage der neuesten relevanten theorien. alle fragen sind richtig gestellt und alles interessante material ist einbezogen. und er hat gerade die diskutierenswerte rohversion einer "medien"-definition ins netz gestellt.
von winkler aus lassen sich auch die fruchtbaren, aber zersplitterten einzelansätze der übrigen deutschsprachigen akademiker gut erkunden (kittler-schule, vogl, pias, schäfer, ernst, hagen, jürgen-link-schule u.v.a). der aufbau der neuen deutschen medien-wissenschaft müsste in paderborn anfangen. und im telepolis-archiv: noch immer sehr viele wertvolle essays von potenziellen nachwuchs-dozent/innen zu allen aspekten der new media studies. (dazu der brandaktuelle deutsche web-knoten für media studies: das dienstraum-blog von michael genova.)
winkler wurde, neben vielen anderen, vom legendären geert lovink (archiv hier) interviewt. der ist das inoffizielle und freischwebende oberhaupt der europäisch-globalen new web and media studies. lovinks heimat ist das netforum nettime. dort etwa auch interviews mit frank hartmann, der österreichischen kapazität für medienphilosophie und mediologie, bekennender anhänger von mcluhan und regis debray.
in bournemouth sitzt david gauntlett ("web studies" u.v.a.). angenehmste britische schule, alle zentralen aspekte: web theory, tv studies und cultural studies. ergänzend zu winkler, der das theorielastige und gedankenschwere deutschland idealtypisch repräsentiert. und in aberystwyth sitzt daniel chandler und seine schule, zwischen mediensemiotik und medienorientierten cultural studies. die berühmte, umfassende online-einführung "semiotics for beginners" und viele aufsätze aus den medienorientierten cultural studies. die richtigen themen, die richtige methodik.
das gute an den briten ist ja der cultural studies-ansatz, der immer schon media studies implizierte. hier steckbriefe zu den klassikern stuart hall und john fiske (über den index, und auch sonst viel gutes material). der führende vertreter der zweiten generation ist dick hebdige (meister-essay "subculture. the meaning of style", einleitung hier auf deutsch; interview hier). der ist inzwischen in kalifornien, im westcoast-medienkunst-milieu, wo auch der brillante lew manovich angesiedelt ist ("the language of the new media").
ein abstecher zu meinem liebling matthew chalmers in glasgow. der ist ja eigentlich ein theoretisch sehr wacher informatiker. "new media" bedeutet bei ihm: die konkrete programmierarbeit am netz als medium, IN dem künftige kultur lebt. vgl. das riesige augmented reality-projekt "equator/city". brillante aufsätze.
was ich noch nicht identifiziert habe, ist ein echtes akademisches zentrum für new media studies in den usa. möglicherweise am ehsten santa barbara, wo es eine sehr schöne link-seite gibt. natürlich gibt es viel postmoderne film studies und auch viele theoretisch versierte blogs zum komplex blogging / new media journalism. ein exemplarischer einzelvertreter für new media studies im engeren sinn ist martin irvine in washington DC. aber da müsste es eigentlich noch mehr geben ...
so weit die klassiker. eine liste mit ehrenvollen erwähnungen hoffnungsvoller nachwuchskräfte folgt gelegentlich, aber insgesamt fällt auf, dass gerade auch bei den guten jüngeren deutschsprachigen der wille zur theoretischen und systematischen gesamtschau wenig ausgeprägt ist. entweder ein vager cultural studies-konsens oder/und fertig übernommenes theoretisches sektierertum zwischen deleuze, luhmann und kittler ...
bezeichnend ist ja, dass es da ja nicht einmal den versuch zu umfassenden medien-definitionen gibt. "definition" ist ein schmutziges wort, scheint es: "definitionen find ich so was von beschissen. so eng, rigide, irgendwie nicht gut."
so wird das nichts mit der neuen medien-wissenschaft, leute. wir brauchen sie aber, und zwar dringend.
/ml (Materialsammlung)
"could weblogs be developed into a 'lifestream" interface?" wird auf memestreams gefragt.
eine frage, die ich mir nach den ersten blog-erfahrungen gleich gestellt habe. wenn ich mir ein konsequentes groß angelegtes solo-gedanken-blog vorstelle, erst mal nur für mich, in das ich permanent hineinschreibe, mich selbst verlinke, mich selbst kommentiere usw ...
ist das nicht gleichzeitig die beiläufige und bereits erstaunlich ausgereifte antwort auf david gelernters berühmte interface-utopie von 1997 (oder so, das immer noch sehr lesenswerte manifest erschien in The Edge), die forderte, dass der zeitbasierte "lifestream" als leitmetapher den raumorientierten "desktop" ersetzen soll?
New software requires a new metaphor. Today's files, folders and desktops are obsolete. Desks and file cabinets are furniture; computers are machines. The traditional 'Still Life with Icons and Menus' is obsolete, too. Information hits us constantly; we need a dynamic display that shows us information as it happens. I want one unified information stream — the electronic story of my life.
soweit gelernter selbst in einem kurzen update der vision (von 2002) in der NYT, der titel "Bold New Look, Tired Old Metaphor" bezieht sich auf den damals neuen imac.
eine suche zeigt, dass der gedanke schon auch anderen gekommen ist, aber insgesamt doch eher selten. ist das geschichtsvergessenheit oder ist die idee selbst blödsinn?
hier weist unter dem titel "we're all gelernter now" ein programmierer auf neue zeitorientierte trends bei debuggers und bei backup-software hin: "has anyone else noticed that time-based tagging is becoming more and more important to the way we store and process data?" das hat an sich noch nichts mit blogs zu tun, obwohl der beitrag selbst gebloggt ist, aber hier diskutieren andere, anscheinend intelligente programmierer recht angeregt über übergänge zwischen e-mail-clients, blogging und lifestreams. klingt interessant (any ideas anyone?).
stuart henshall denkt in seinem unbound spiral weblog etwas ausführlicher über blogging als lifestream nach, in meinem sinn. einen interspace für mein eigenes wissen schaffen: know what you know, war der schlachtruf der knowledge management gurus. und ich weiß ja nichts, solange ich gedanken nicht ins spiel bringe. in mein eigenes dynamisches spiel (mein solipsistisches lokal-blog) und/oder eben auch in ein größeres kollaboratives spiel (blogosphere), einfach indem ich meine blog-gedanken als impulse in den großen resonanzraum da draußen schicke. wie zum beispiel diesen blog-lifestream-gedanken hier.
allerdings ist lifestream-blogging dann arbeit, aber eine, die es wert ist. es ist arbeit am selbst, wie foucault (mit nietzsche) sich das bei den alten griechen dachte: "oberflächlich - aus tiefe".
diese blog-gedanken existieren ja nicht einfach so. es ist eben nicht das, was ich im kopf habe: der grundfehler der tagebuch-blogger. da ist nämlich nichts. gedanken (und bedeutungen) entstehen immer im dazwischen, d.h. in einer struktur. für mein eigenes solo-spiel genauso wie für das kollaborative gedankenspiel brauchen sie also eine eigene stilistische und argumentative form, wie sie sich ansatzweise im schlaueren teil der blogosphere bereits herauskristallisiert hat: die bereits kürzlich erwähnte blog-sprache, die das blogging überhaupt erst zum funktionieren bringt.
(to be continued)
/ml (Blogging, Webtechnologie)
Zumindest ansatzweise habe ich schon die eine oder andere Idee, warum gewisse Leute nicht(s) können.
Februar 2000: "Ich rechne damit, dass noch einmal ein emotionaler Überschwang am
Wochenende kommen wird, wo sich die Altlinken, die 68er, die Jungen und die
Internet-Generation noch einmal austoben können." (Wolfgang Schüssel über die Demonstrationen anlässlich Regierungsbildung Schwarz-Blau)
Januar 2004: "Ich muss zugeben, dass ich natürlich vor der Internetgeneration aufgewachsen bin und mich mit diesem Medium erst einmal vertraut machen und auseinandersetzen musste. Mir war aber von Anfang an klar, dass ich diesem neuen Medium und dieser Möglichkeit zu kommunizieren nicht entkommen darf und diese Chance unbedingt nützen muss. Gerade in meiner Funktion als Außenministerin kann ich dadurch mit der ganzen Welt in Kontakt treten, was sehr hilfreich ist und viele Dinge vereinfacht." (Benito Ferrero-Waldner über Anbiederung, Heuchelei, Ahnungslosigkeit und sinnleere Phrasen bezüglich der Neuordnung internationaler Politik via Weblogs)
Ich fang gar nicht erst davon an, dass das Layout Schrott ist und dass das Ding kein einziges technisches Merkmal eines Blogs hat. (Wo sind Permalinks für entlarvende Zitate?)
Ich fang weiters erst gar nicht von dem Prinzessinen-der-Herzen und Soziale-Wärme-Gefasel an.
Dazu gehörte -- aber damit fang ich erst recht nicht an -- der sich als Neobiedermeier (surprised?) artikulierende Befindlichkeitsjargon, den der VP-New-Media-Blog-Coach in einem zweiminütigen Briefing empfohlen hat (ich höre ihn: "Das ist der Sound of Befindlichkeit. Das ist jetzt mega-affen-titten-geil.") Kann natürlich auch sein, dass der ganze Schmus von ebenso überbezahlten wie inkompetenten Ghostwritern erbrochen wird.
Viel machen kann man da nicht, vielleicht Palliativbehandlung im Endstadium.
Warum nicht? Antwort: weil Blog schreiben sehr wohl etwas mit
- Intelligenz und
- Kultur
zu tun hat, zwei Anforderungen, die im vorliegenden Fall nicht mitgebracht werden.
Darüber hinaus verträgt sich Weblog schreiben aber vor allem nicht mit Lieblosigkeit. Das muss auch den Wärmerinnen der Herzen in den Muff geschrieben werden.
Dass es nicht zwingend an der Profession scheitern muss, sieht man bei Leuten, die das sehr wohl können -- seien es solche, die sich nie um ein bestimmtes szenekonformes Layout oder einen entsprechenden Ton gekümmert haben, oder solche, die das sehr wohl (und sehr ausgeprägt) versuchen.
/mf (Ventil zu; Blogging)
wieso kann benita ferrero-waldner kein weblog schreiben? und zwar nicht mal dann, wenn sie doch noch ernsthaft versuchen sollte?
und die pds in tübingen auch nicht? genauso wenig wie die spd in hamburg-horn? und viel mehr scheint es ja gar nicht zu geben bis jetzt...
dabei liegt es gar nicht an der politischen haltung oder an der intelligenz. es ist eher so etwas wie wachheit, was fehlt. denken/sprechen in querverortungen, die fähigkeit zu äußerungen in understatement-microcontent-form, die auf einen blick einleuchten, in irgendeiner weise (als schlagende verbindung oder pointierte formulierung oder einfach als schöne sprachliche form ...).
es liegt also im grunde, glaube ich, an der sprache, jetzt als komplexes phänomen verstanden. blogs brauchen eine funktionierende blog-sprache.
gedankenspiel: angenommen es gäbe eine weblog-community wie antville, die nur aus deutschsprachigen parlamentarieren bestünde. angenommen, die würde funktionieren: sie posten täglich, verlinken untereinander, kommentieren. damit das funktioniert, müssten sie anders schreiben und damit (für diesen zeitpunkt jedenfalls) anders denken. das soll kein naiver utopismus sein: ich bin nicht sicher ob ich so was lesen wollte. die sprach/sprechweise wäre zweifellos sehr fremdartig und vermutlich scheußlich, sozusagen ein anderer zweig der netz-evolution. Aber es wäre eine eigene blog-sprache.
gerade jetzt erst gibt es bei telepolis einen artikel (vom de-bug-mann janko röttgers) zu howard deans inzwischen legendärer weblog-kampagne, mit allen relevanten infos und links. e-democracy live in action: das interessante daran ist, dass deans erfolg nicht so sehr ein politisches, als ein medienkulturelles phänomen zu sein scheint: eine vage-renitente grassroots-democracy-emphase, die im richtigen moment auf das richtige aufstrebende medium getroffen ist ... und, wie es scheint, sogar per rückkopplung netzpolitische inhalte aufnimmt.
über die nötige blog-sprache sagt röttgers eben nichts. wahrscheinlich geht das in dem lakonisch-emphatischen us-stil sowieso viel besser. (die millionen blogger dort drüben ? ist das hier überhaupt vorstellbar?) ich persönlich bewundere ja den sound von englischen weblogs wie z.b. dem hier, ohne sagen zu können, für was genau. angenehme comment-kultur jedenfalls. nicht ganz so subkulturell-verengt wie die deutschen.
/ml (Blogging)