letzte Änderung: 01.02.06; 18:13:04.
Kunstspaziergänge
Spaziergänge in Berlin und Umgebung
        

Mittwoch, 25. Januar 2006

Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte

Dieses Gebäudeensemble an der Chaussee von Königs Wusterhausen nach Schenkendorf wurde durch das Vermächtnis des Hamburger Großkaufmanns Hermann Wilhelm Schmidt und seiner Ehefrau Marie Caroline Anna Schmidt geb. Ursinus ermöglicht. Sie bestimmten durch gemeinschaftliches Testament vom Jahre 1889 die Hälfte ihres Nachlasses für die Gründung einer Anstalt für arme Blinde, die allen Stämmen Deutschlands zugänglich sein soll. Sie fügten hinzu, dass die Wahl des möglichst zentral gelegenen Ortes dafür Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser anheimgegeben werde.

Blindenschule

Wilhelm II. fühlte sich als Schutzherr der Künste und als großer Künstlerfreund. Auch in Baufragen mischte sich der geltungssüchtige Herrscher ein. Dabei war es gleichgültig, ob das Reich, der Staat Preußen oder die Stadt Berlin zuständig waren, ob es um repräsentative sakrale und profane Bauten ging oder um das Kreisständehaus in Teltow oder das Postamt in Uelzen. Die Architekten legten seiner Majestät Zeichnungen ihrer Projekte vor und duldeten Korrekturen, die der oberste Geschmacksrichter in die Pläne skizzierte.
Für die Blindenschule genehmigte der Kaiser die von Hofbaurat Gotthilf Ludwig Möckel (1838-1915) ausgearbeiteten Pläne. Über Eingriffe in die Pläne ist mir nichts bekannt, aber in seiner Großzügigkeit ging der Kaiser über die ihm von den Schmidts angetragene Bestimmung des Standortes hinaus und schenkte der Stiftung ein zum Königs Wusterhausener Hofkammergebiet gehöriges Gebiet von etwa drei Hektar Größe.

Junge mit Spielzeugsegelboot

Möckel hatte sich vor allem durch seine im neugotischen Stilerrichteten Kirchenbauten einen Namen gemacht. Sein bedeutendstes Werk im sakralen Bereich schuf Möckel mit der Dresdener Johanneskirche (1874-1878). Mit Geschick variierte Möckel in seinen zahlreichen Kirchenbauten die aus dem Mittelalter überlieferten klassischen Modelle der Basilika und Halle. Daneben bemühte er sich in Entwürfen von überkuppelten Zentralbauten um eine Reform des Sakralbaus im Sinne der protestantischen Predigtkirche und bewahrte sich auch eine gewisse Experimentierfreudigkeit. Er versuchte, die Winkelhakenkirche zu neuen Ehren zu bringen, und setzte sich in der Trinitatiskirche Hainichen (1895-1899) gegenüber dem erzkonservativen Kirchenbaumeister Oskar Mothes (1828-1903) mit einer neuartigen Vierungslösung durch. Nach armenischen Vorbildern des 13. Jahrhunderts durchdringen sich die weitgespannten Vierungsbogen im oberen Drittel und stehen auf dem Fußboden weit auseinander. Durch diese originelle und elegante konstruktive Lösung, die der Architekt in weiteren Berliner und Potsdamer Kirchen variierte, konnte auf die üblichen Pfeiler verzichtet und ein großer Raum mit geringem Aufwand überspannt werden.
Wie dem auch sei, das Blindenheim in Königs Wusterhausen wurde neben dem Jagdschloss Gelbensande (1885-1886) und dem Ständehaus Rostock zu einem seiner anspruchvollsten Werke.
In den letzten Jahren wurde das Gebäude der Brandenburgischen Schule für Blinde und Sehbehinderte umfassend rekonstruiert. Selbst der Zaun wurde nach historischem Vorbild wiederhergestellt. Der Turm auf dem Hauptgebäude allerdings, der ursprünglich ein spitzes Dach hatte, wurde aus Kostengründen (noch?) nicht in den ursprünglichen Zusand versetzt.

Quellen:

  • Feist, Peter H. Geschichte der deutschen Kunst 1848 - 1890; VEB E.A. Seemann Verlag, Leipzig 1987
  • Schwarzkopf, Reinhard Ein Jahrhundert Heimstatt für Blinde; Königs Wusterhausen und Dahmeland - Heimatkalender 2001
  • Pehnt, Wolfgang Deutsche Architektur seit 1900; Deutsche Verlagsanstalt München, 2005


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