letzte Änderung: 10.12.04; 18:56:36.
Exhibitions
Ausstellungen in Berlin und Umgebung für Kunstspaziergänger
        

Samstag, 27. November 2004

Im Haus am Lützowplatz haben drei Künstler zusammengefunden, die das Arbeiten auf Papier lieben, darauf ein ambivalentes Spiel mit Idyllen, Scheinromantik und dahinter verstecktem Düsteren treiben. Christian Weihrauch aus Halle zeichnet surreale Erinnerungsräume. Fantasie und Realität durchdringen einander in seinen Wanderungen im Zimmer. Zu sehen sind rätselhafte, auch beklemmende Motive. Die Berliner Caro Suerkemper und Vitek Marcinkiewicz malen farbkräftige Frauengestalten, Laszives und Gewalttätiges deuten sich an: Unausgesprochenes, in der Gesellschaft noch zu oft Tabuisiertes.
(aus der BZ)


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Volker Stelzmanns
Große Konspiration in der Galerie Eva Poll

In der Großen Konspiration (2004), trifft Stelzmann mit berühmten Meistern der Kunstgeschichte zusammen – seinen geistigen Vätern und Kollegen. ... Es sind seine stetigen Begleiter und Inspiratoren, mit denen er sich geistig und malerisch sinnbildlich immer wieder auseinandersetzte.
Es sind Bilder mit beredten Männer-Mienen. Die Gesten der am Tisch Versammelten, in Schlips oder Kragen, mit Pulli, Arbeitsweste oder auch nur im Unterhemd, glattrasiert die einen, dreitagebärtig, vollbärtig, spitzbärtig die anderen. Eine merkwürdige Gruppe hat Stelzmann da im Sommer 2004 gemalt und Große Konspiration genannt. Geben wir ihr von links her Namen: Matthias Grünewald, der Maler des Isenheimer Altars, angetan mit T-Shirt und Sakko der Jetztzeit; der Bildhauer Michelangelo im dunklen Turnhemd; der Expressionist Otto Dix trägt weißes Hemd, Schlips und scharfe, fast verkniffene Züge. So hatte er sich selbst gemalt um 1934, als Entarteter von den Nazis aus der Professur an der Dresdner Kunstakademie gejagt.
Neben ihm guckt der magische Realist de Chirico mit hängenen Mundwinkeln aus dem Bild, in etlichen Gemälden der Pittura metafisica hat sich der Italiener so skeptisch dargestellt. Vorn am Tisch fällt der Maler Rosso Fiorentino fast vom Stuhl, weil seinem ebenso rothaarigen wie rotbärtigen Kollegen Pontormo wegen eines für uns Betrachter rätselhaften Zwists der beiden Manieristen im Zorn die Hand ausgerutscht ist. Den selbstbewussten Lorenzo Lotto indes lässt das hinten am Tisch mit blauer Kappe völlig ungerührt. Neben ihm, stehend und entrückten Blicks, El Greco. Und dessen Nachbar rückt das Profil Francisco de Zurbarans ins Bild. Schließlich, als Letzter am Tisch rechts, sitzen da der Maler Stelzmann selbst (mit geschlossenen Augen) samt Gattin.
(mehr hier)
Der Betrachter wird angezogen von der Schönheit des Absonderlichen. Irritiert schwankt er zwischen lustvollem Voyeurismus und kritischer Selbstreflektion. Der Anblick der Bilder reizt – im wahrhaft doppeldeutigen Sinn! Gekonnt entführt Stelzmann in ein Wechselbad der Gefühle von Anziehung und Ablehnung. Der moderne Mensch: gefangen in der Zerrissenheit. (hier)

Einige der in den letzten Jahren von Stelzmann gemalten Bilder kann man hier online betrachten (Galerie Eva Poll 2003 auf der Art Cologne).
Stelzmann war 1986 von der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt. Als er 1988 als Lehrer an die West-Berliner Kunsthochschule berufen wurde, gab es einen Vorgeschmack auf die Ost-West-Künstlerfeindseligkeiten nach dem Fall der Mauer.

Als die Mauer fiel, freuten sich die Liebhaber auch auf eine Wiedervereinigung der beiden Teilkünste. In naiver Verblendung versprach man sich von einem nun unbehinderten Vergleich und Wettbewerb den Ausbruch eines neuen Kunstfrühlings, womöglich sogar eine kontroverse schöpferische Wiederbelebung im Geist der 20er Jahre. Leider kam alles ganz anders. Die Ostkünstler liefen in die offenen Messer ihrer Westkollegen und eines rücksichtslos-kommerziellen Kunstbetriebs, der plötzlich die politische Moral entdeckte und auf seinem Fortschrittsmonopol bestand. Es ist höchst sonderbar: Die Kunstszene, die sich viel darauf zugute hält, im Jahrhundert der Moderne den Moralismus überwunden zu haben, und die in ihren eigenen Manövern und Vernetzungen höchst undurchsichtig und skrupellos operiert, insistierte plötzlich auf politisch-moralischer Korrektheit der Kunst.
Einen Vorgeschmack der ausbrechenden Feindseligkeiten hatte 1986 die Reaktion auf die Übersiedlung des Leipziger Malers Volker Stelzmann gegeben, des wohl kraftvollsten Vertreters der zweiten Generation der neuen Leipziger Schule. Als er zwei Jahre später als Lehrer an die Berliner Kunsthochschule berufen wurde, kündigte ein empörter Kollege, Georg Baselitz, seine Professur. Prominente Kollegen schlossen sich seinem Protest an. Nach dem Mauerfall sollten sich die Feindseligkeiten verschärfen. Es hagelte nun Beschimpfungen und Beschuldigungen. Wieder waren westdeutsche Malerfürsten Wortführer der Fronde. Im Osten klagten nun Künstler-Dissidenten ihre angeblich staatstragenden Lehrer an. Heftig brachen Generationskonflikte auf.
(aus: Eduard Beaucamp Der Bilderstreit im Katalog zur Ausstellung Kunst in der DDR)

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