Auf Meeressand. Gleich nach der Kriegskatastrophe, noch vor dem Mauerbau, schuf der Berliner Künstler Werner Heldt eine Reihe kleiner Gemälde mit dem Titel Berlin am Meer.
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Für eine Zeit erlöst von den organisierenden und zerstörerischen Kräften des Menschen, war die Metropole den ungezügelten geophysikalischen Kräften der Natur ausgesetzt. Die neu entstandenen Leeren, die ihre zahlreichen Einwohner, Häuser und sogar das Straßenpflaster hinterlassen hatten, begannen sich mit Sand zu füllen. Wie sich herausstellte, war die Stadt auf dem Grund eines ehemaligen Ozeans entstanden, der sich nun daran machte sie in seine Obhut zu nehmen, indem er in Form riesiger Sanddünen durch die eingestürzten Mauern vorrückte und die menschenleeren Straßen füllte. Ein wortloser, rein visueller und doch beredter Mythos von Berlin.
Solche temporären und teilweise Durchbrüche der Natur, ihre Eroberung einzelner Räume Berlins, das in diesem Sinne nie Stadt wurde, waren zuvor schon Wladimir Nabokow aufgefallen, der die mit Unkraut überwachsenen Gleisdämme der S-Bahn bestaunte und natürlich die Seen und das Dickicht am Rande der Stadt besang.
(aus dem Berlin-Essay von Georgi Litschewski für den Katalog (Chronik) der Ausstellung Berlin-Moskau)