Potsdam: "Ideal City - Invisible Cities"
In der Potsdamer Innenstadt überschneiden sich die städtebauichen Ideale zweier Epochen auf drastische Weise. Das preußisch-klassizistische Potsdam mit seinen beschaulichen Alleen strahlt nüchterne Beschaulichkeit aus. Doch wer nur einen Durchgang zu weit läuft, prallt frontal auf den autogerechten, fußgängerfeindlichen Funktionalismus der DDR-Moderne. Ein ideales Terrain für Künstler, die sich damit auseinandersetzen, was der Versuch, eine ideale Stadt aus einem Guss zu planen, so alles aus- und anzurichten vermag.
Lawrence Weiner hat für eine seiner Schriftarbeiten einen kongenialen Ort gefunden. Am Hauptgebäude der Potsdamer Fachhochschule, eines verrotteten, zentral gelegenen Betonsilos am Alten Markt hat er auf verwitterte Arkadenpfeller eine Reflektion über die Zeit gesetzt - »after the given time« lautet dabei die sich wiederholende Zelle, was nicht zur, sondern nach der gegebenen Zeit heißt. Hier ist alles Vergangenheit. Der Buchladen, vor dem die Pfeiler stehen, musste aufgeben, das realsozialistische Denkmal, auf die sie hinführen, hat seine Bedeutung eingebüßt. Die ganze Stadtlandschaft bröckelt und verweist auf ein untergegangenes politisches und gesellschaftliches System.
Beeindruckend die Sorgfalt, mit der vor allem die Arbeiten im öffentlichen Raum auf ihre Umgebung abgestimmt sind. Der Flaneur, der sich auf den Spuren von »Ideal City - Invisible Cities« durch Potsdam treiben lässt, wird auf viele starke Arbeiten stoßen und zugleich die vermeintlich altbekannte Stadt neu entdecken. Und was könnte eine Ausstellung im öffentiichen Raum mehr erreichen?
(Texte von Johannes Wendland aus Kunstzeitung 122/ Oktober 2006)
7:46:35 PM
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