Jeff Koons Balloon Flower
Ein Luftballon liegt da vor uns, so riesig, wie wir ihn uns in den kühnen Träumen der Kindheit bisweilen gewünscht haben mögen, um mit ihm auf- und davonzufliegen bis ans Ende der Welt. In diese imaginäre Dimension jedoch folgt uns der Luftballon nicht; denn er ist aus Stahl und viel zu schwer, um mir nichts dir nichts zu entschweben. Dafür hat er nun freilich seine Launenhaftigkeit abgelegt, die wir an ihm so liebten, die uns aber auch oft in tiefste Trauer stürzte, wenn er ohne uns die Erde verließ und allein hoch aufstieg in den Freiraum der Lüfte. Die neue Stahlhaut spricht ihn von solchen Willkürerscheinungen frei und führt uns statt dessen für alle Zeiten verewigt - seinen Idealzustand vor. Unser Luftballon will bis ans Ende der Tage dick und rund aufgeblasen sein. Was wir außerdem so gern mochten: durch einen Nadelstich seine Prallheit in Knall und Fetzen zerspringen zu lassen, hat hier seinen Stachel verloren. Das Böse hat keine Macht über ihn, und die Unsterblichkeit ist ihm sicher. Er ist zurückversetzt - und wir mit ihm - ins Paradies. (Wie anders ergeht es da diesem Ballon, da ist im Moment die Luft raus) ... Ebenso wirbt unser Veilchen für sich mit unverkennbar verführend-erotischem Habitus. An seine prallen Rundungen dürfte selbst der abgeklärteste Betrachter unweigerlich lustvolle Assoziationen knüpfen. Und wie die Ware hinter der Scheibe des Schaufensters sich dem unmittelbaren Besitz entzieht, so ist auch unsere Blume weder zu brechen noch bereit, unserem Wunsch nach Flug oder Knall zu gehorchen. Denn auch ihre Lust will Ewigkeit. Die Sexualisierung der Konsumwelt stachelt unser Begehren ja nicht deshalb so heftig an, um ihm umgehend zu willfahren, sondern um ganz im Gegenteil immer neue Wünsche in uns zu wecken. Unsere Begierde soll dauern. (aus einem Essay von Gudrun Inboden in: Sammlung Daimler Chrysler Die Skulpturen, Katalog 2003)
6:16:45 PM
|
|