Zumindest ansatzweise habe ich schon die eine oder andere Idee, warum gewisse Leute nicht(s) können.
Februar 2000: "Ich rechne damit, dass noch einmal ein emotionaler Überschwang am
Wochenende kommen wird, wo sich die Altlinken, die 68er, die Jungen und die
Internet-Generation noch einmal austoben können." (Wolfgang Schüssel über die Demonstrationen anlässlich Regierungsbildung Schwarz-Blau)
Januar 2004: "Ich muss zugeben, dass ich natürlich vor der Internetgeneration aufgewachsen bin und mich mit diesem Medium erst einmal vertraut machen und auseinandersetzen musste. Mir war aber von Anfang an klar, dass ich diesem neuen Medium und dieser Möglichkeit zu kommunizieren nicht entkommen darf und diese Chance unbedingt nützen muss. Gerade in meiner Funktion als Außenministerin kann ich dadurch mit der ganzen Welt in Kontakt treten, was sehr hilfreich ist und viele Dinge vereinfacht." (Benito Ferrero-Waldner über Anbiederung, Heuchelei, Ahnungslosigkeit und sinnleere Phrasen bezüglich der Neuordnung internationaler Politik via Weblogs)
Ich fang gar nicht erst davon an, dass das Layout Schrott ist und dass das Ding kein einziges technisches Merkmal eines Blogs hat. (Wo sind Permalinks für entlarvende Zitate?)
Ich fang weiters erst gar nicht von dem Prinzessinen-der-Herzen und Soziale-Wärme-Gefasel an.
Dazu gehörte -- aber damit fang ich erst recht nicht an -- der sich als Neobiedermeier (surprised?) artikulierende Befindlichkeitsjargon, den der VP-New-Media-Blog-Coach in einem zweiminütigen Briefing empfohlen hat (ich höre ihn: "Das ist der Sound of Befindlichkeit. Das ist jetzt mega-affen-titten-geil.") Kann natürlich auch sein, dass der ganze Schmus von ebenso überbezahlten wie inkompetenten Ghostwritern erbrochen wird.
Viel machen kann man da nicht, vielleicht Palliativbehandlung im Endstadium.
Warum nicht? Antwort: weil Blog schreiben sehr wohl etwas mit
- Intelligenz und
- Kultur
zu tun hat, zwei Anforderungen, die im vorliegenden Fall nicht mitgebracht werden.
Darüber hinaus verträgt sich Weblog schreiben aber vor allem nicht mit Lieblosigkeit. Das muss auch den Wärmerinnen der Herzen in den Muff geschrieben werden.
Dass es nicht zwingend an der Profession scheitern muss, sieht man bei Leuten, die das sehr wohl können -- seien es solche, die sich nie um ein bestimmtes szenekonformes Layout oder einen entsprechenden Ton gekümmert haben, oder solche, die das sehr wohl (und sehr ausgeprägt) versuchen.
/mf (Ventil zu; Blogging)
wieso kann benita ferrero-waldner kein weblog schreiben? und zwar nicht mal dann, wenn sie doch noch ernsthaft versuchen sollte?
und die pds in tübingen auch nicht? genauso wenig wie die spd in hamburg-horn? und viel mehr scheint es ja gar nicht zu geben bis jetzt...
dabei liegt es gar nicht an der politischen haltung oder an der intelligenz. es ist eher so etwas wie wachheit, was fehlt. denken/sprechen in querverortungen, die fähigkeit zu äußerungen in understatement-microcontent-form, die auf einen blick einleuchten, in irgendeiner weise (als schlagende verbindung oder pointierte formulierung oder einfach als schöne sprachliche form ...).
es liegt also im grunde, glaube ich, an der sprache, jetzt als komplexes phänomen verstanden. blogs brauchen eine funktionierende blog-sprache.
gedankenspiel: angenommen es gäbe eine weblog-community wie antville, die nur aus deutschsprachigen parlamentarieren bestünde. angenommen, die würde funktionieren: sie posten täglich, verlinken untereinander, kommentieren. damit das funktioniert, müssten sie anders schreiben und damit (für diesen zeitpunkt jedenfalls) anders denken. das soll kein naiver utopismus sein: ich bin nicht sicher ob ich so was lesen wollte. die sprach/sprechweise wäre zweifellos sehr fremdartig und vermutlich scheußlich, sozusagen ein anderer zweig der netz-evolution. Aber es wäre eine eigene blog-sprache.
gerade jetzt erst gibt es bei telepolis einen artikel (vom de-bug-mann janko röttgers) zu howard deans inzwischen legendärer weblog-kampagne, mit allen relevanten infos und links. e-democracy live in action: das interessante daran ist, dass deans erfolg nicht so sehr ein politisches, als ein medienkulturelles phänomen zu sein scheint: eine vage-renitente grassroots-democracy-emphase, die im richtigen moment auf das richtige aufstrebende medium getroffen ist ... und, wie es scheint, sogar per rückkopplung netzpolitische inhalte aufnimmt.
über die nötige blog-sprache sagt röttgers eben nichts. wahrscheinlich geht das in dem lakonisch-emphatischen us-stil sowieso viel besser. (die millionen blogger dort drüben ? ist das hier überhaupt vorstellbar?) ich persönlich bewundere ja den sound von englischen weblogs wie z.b. dem hier, ohne sagen zu können, für was genau. angenehme comment-kultur jedenfalls. nicht ganz so subkulturell-verengt wie die deutschen.
/ml (Blogging)