Mittwoch, 28. Januar 2004
wot is: media studies

eine frage, die nicht minder ungeklärt ist wie die frage, was das eigentlich ist: "the media". aber es gibt sie ja schon, die globale neue medien-universität, erreichbar im web. und man darf überall studieren, bei den besten. wie sehen dann die "new media studies" der zukunft aus, von denen mindestens seit 5 jahren klar ist, dass wir sie dringend als kerndisziplin künftiger universitäten brauchen? hier meine lieblingsdozenten als surf-tour, mit vielen pflicht-downloads:

in paderborn hartmut winkler ("docuverse", zu "zapping" u.v.a.). beinahe der einzige deutsche, der "die medien" als ganze in den blick nimmt, web, tv und film, zugleich praxisorientiert-analytisch und auf der vollständigen grundlage der neuesten relevanten theorien. alle fragen sind richtig gestellt und alles interessante material ist einbezogen. und er hat gerade die diskutierenswerte rohversion einer "medien"-definition ins netz gestellt.

von winkler aus lassen sich auch die fruchtbaren, aber zersplitterten einzelansätze der übrigen deutschsprachigen akademiker gut erkunden (kittler-schule, vogl, pias, schäfer, ernst, hagen, jürgen-link-schule u.v.a). der aufbau der neuen deutschen medien-wissenschaft müsste in paderborn anfangen. und im telepolis-archiv: noch immer sehr viele wertvolle essays von potenziellen nachwuchs-dozent/innen zu allen aspekten der new media studies. (dazu der brandaktuelle deutsche web-knoten für media studies: das dienstraum-blog von michael genova.)

winkler wurde, neben vielen anderen, vom legendären geert lovink (archiv hier) interviewt. der ist das inoffizielle und freischwebende oberhaupt der europäisch-globalen new web and media studies. lovinks heimat ist das netforum nettime. dort etwa auch interviews mit frank hartmann, der österreichischen kapazität für medienphilosophie und mediologie, bekennender anhänger von mcluhan und regis debray.

in bournemouth sitzt david gauntlett ("web studies" u.v.a.). angenehmste britische schule, alle zentralen aspekte: web theory, tv studies und cultural studies. ergänzend zu winkler, der das theorielastige und gedankenschwere deutschland idealtypisch repräsentiert. und in aberystwyth sitzt daniel chandler und seine schule, zwischen mediensemiotik und medienorientierten cultural studies. die berühmte, umfassende online-einführung "semiotics for beginners" und viele aufsätze aus den medienorientierten cultural studies. die richtigen themen, die richtige methodik.

das gute an den briten ist ja der cultural studies-ansatz, der immer schon media studies implizierte. hier steckbriefe zu den klassikern stuart hall und john fiske (über den index, und auch sonst viel gutes material). der führende vertreter der zweiten generation ist dick hebdige (meister-essay "subculture. the meaning of style", einleitung hier auf deutsch; interview hier). der ist inzwischen in kalifornien, im westcoast-medienkunst-milieu, wo auch der brillante lew manovich angesiedelt ist ("the language of the new media").

ein abstecher zu meinem liebling matthew chalmers in glasgow. der ist ja eigentlich ein theoretisch sehr wacher informatiker. "new media" bedeutet bei ihm: die konkrete programmierarbeit am netz als medium, IN dem künftige kultur lebt. vgl. das riesige augmented reality-projekt "equator/city". brillante aufsätze.

was ich noch nicht identifiziert habe, ist ein echtes akademisches zentrum für new media studies in den usa. möglicherweise am ehsten santa barbara, wo es eine sehr schöne link-seite gibt. natürlich gibt es viel postmoderne film studies und auch viele theoretisch versierte blogs zum komplex blogging / new media journalism. ein exemplarischer einzelvertreter für new media studies im engeren sinn ist martin irvine in washington DC. aber da müsste es eigentlich noch mehr geben ...

so weit die klassiker. eine liste mit ehrenvollen erwähnungen hoffnungsvoller nachwuchskräfte folgt gelegentlich, aber insgesamt fällt auf, dass gerade auch bei den guten jüngeren deutschsprachigen der wille zur theoretischen und systematischen gesamtschau wenig ausgeprägt ist. entweder ein vager cultural studies-konsens oder/und fertig übernommenes theoretisches sektierertum zwischen deleuze, luhmann und kittler ...

bezeichnend ist ja, dass es da ja nicht einmal den versuch zu umfassenden medien-definitionen gibt. "definition" ist ein schmutziges wort, scheint es: "definitionen find ich so was von beschissen. so eng, rigide, irgendwie nicht gut."

so wird das nichts mit der neuen medien-wissenschaft, leute. wir brauchen sie aber, und zwar dringend.

/ml (Materialsammlung)