|
Samstag, 11. Dezember 2004 |
Bernhard Heiliger
Constellation, 1991
Öffentliche Kunst muss sich hereindrängen, sich einfügen und herfallen über das, was schon in der Stadt existiert. Ihre Verhaltensweise muss es sein, Eingriffe auszuführen - selbst, wenn das manchmal wie unnötige Eingriffe aussehen mag - an der gebauten Umwelt: sie addiert etwas zu dem Vertikalen, subtrahiert etwas von dem Horizontalen, multipliziert und dividiert etwas von dem Netzwerk der dazwischen liegenden Linien. Diese Eingriffe sind überflüssig, die replizieren etwas, was schon vorhanden ist und lassen es wuchern wie eine Krankheit. Die Funktion von öffentlicher Kunst ist es, Design zu dekonstruieren.
(Vito Acconci in Das Haus verlassen, gelesen hier)
9:13:03 PM
|
|
Hans Scheib
8 Kopfplastiken
Steinguss nach Holz, 2002/2003
Beim Wiederaufbau der Nikolaikirche in den 80er Jahren musste aus statischen Gründen eine neue Lösung für den Deckenaufbau der neugotischen Orgelempore gefunden werden. Seither sind die 8 Konsolsteine, die in Höhe der Emporendecke von 1860 aus der Turmwand und der gegenüber liegenden Arkadenwand ragen, ohne Funktion. Sie lassen eine Lücke.
Von mittelalterlichen Bautraditionen angeregt, hat der Berliner Bildhauer Hans Scheib für diese Leerstellen ganz jetztzeitige, das Bauwerk schmückende Bildwerke geschaffen. Damit erhalten die Konsolsteine wieder eine Funktion. Auch mit seinem Bildprogramm hat Hans Scheib Traditionen wieder aufgenommen. Gerade für den Schmuck des Tragwerks holten die Steinmetze mittelalterlicher Bauhütten Abbilder des menschlichen in die Kirchen. Die Arbeiten sind nur Leihgaben. Das Berliner Stadtmuseum sucht einen Mäzen, um Scheibs Skulpturen dauerhaft an die Nikolaikirche zu binden.
Übrigens: In der Galerie im Turm sind gegenwärtig Berliner Gesichte von Scheib zu sehen.
Hans Scheib
Du mußt doch BEWAFFNET sein!, 1984
Ich erinnere mich an die Geschichte vom Marsyas. Dem Satyr, der im Wettstreit mit Apoll unterlag. Ein scheinbar friedlicher musikalischer Wettstreit, zwischen Marsyas mit der Flöte und dem Gott mit der Leier. Vom Gott vorgeschlagen, daß der Gewinner mit dem Verlierer tun und lassen könne, was er wolle. Arglos ging Marsyas darauf ein. Dachte, wäre er Sieger, Apoll ihm Freude bringen müsse: vielleicht Wein in Fülle, herrliche Weiber. Der Gott gewann mit List und zog Marsyas bei lebendigem Leibe die Haut ab.
Geschundene, geschlagene Kreatur, die hier vor uns steht. Voll Sinnlichkeit und Trauer das entstellte Gesicht, nur noch der Tränen mächtig, die man ihm nicht nehmen konnte. Zornig und ohnmächtig zugleich, hat er den nächstbesten Knüppel genommen. Fordernd die andere, noch freigebliebene Hand. Jetzt laß es genug sein!
(B. Oeburg im Katalog Berliner Kunststücke, Edition Cantz 1990)
7:30:53 PM
|
|
© Copyright 2004 Türschmann.
|
|
|