Freitag, 12. Dezember 2003
Mainstreaming Alternative-Mainstream Nerddom via Reverse-Marketing

Xan Brooks: interessanter Artikel im Guardian: über die Etablierung von Geek- und Nerddom als Mainstream -- über die Baby-Boomers, Comic-Verfilmungen, Sci-Fi-Epen, B-Movies und mehr.

Die erste Hälfte des Essays ist sehr schlau geschrieben und genau gedacht. Bemerkung am Rande: eine lang gehegte Vermutung von mir wird indirekt bestätigt. Prognose: in spätestens fünf Jahren hat jedes kulturwissenschaftlich arbeitende, etwas auf sich haltende akademische Institut eine Gaming-Studies-Abteilung.

Dann kommt der biographisch gefärbte Teil des Essays -- und damit der inhaltliche Kollaps. Damit nämlich die grob fahrlässige Fehleinschätzung von (1) Jacksons Absichten mit LOTR, (2) dem Stoff, den er damit bearbeitet -- und was der heute bedeutet.

Konkret:

(1) Der Film LOTR soll weder eine Nerd Culture-Geschichte noch eine mainstream-gerechte Adaption derselben sein. Verwerflicherweise ist LOTR dem Selbstverständnis nach die angeblich zeitlose Umsetzung einer angeblich zeitlos erzählten Geschichte. Kein weiterer Kommentar dazu.

(2) Brooks verwechselt, wie viele andere auch, banalen, vulgären, reaktionären, durch und durch einfach auch überhaupt nicht sympathischen -- kurz: von Grund auf schlechten Neobiedermeier an der Schnittstelle zur ein Jahrzent zu spät einherschlurfenden Neuauflage des "Neuen Heidentums" einerseits mit genuinen Pop-(Rezipienten-)Subkulturen andererseits. Erschwerend hinzukommend im Sinne der Anklage: Brooks' apologetische Konstruktion von LOTR als im Sinne der cultural und gender studies zwischengeschlechtlich brückenschlagendes kulturelles Phänomen. Die angebotene Erklärung: kidultism und adultescentism -- hässliche (aber dafür umso neuere!) Marketing-Schlagwörter für das bekannte Phänomen der "prolongierten Adoleszenz". So geht's nicht: das ist Neon-Niveau.

/mf (Pop)


semantic cloud: wolken am begriffshimmel

ich habe jetzt endlich den - schönen - weinrich-text gelesen, auf den markus hingewiesen hat. (allerdings habe ich dort keine metapherntheorie gefunden?)

was mir natürlich gefallen hat, war der hinweis auf das "reich der bedeutungen", das jede "sprachgemeinschaft" unwillkürlich ausbildet. weinrich zitiert nietzsches "begriffshimmel", und wie immer sollte man das original lesen:

Wie die Römer und Etrusker sich den Himmel durch starre mathematische Linien zerschnitten und in einen solchermaassen abgegrenzten Raum als in ein templum einen Gott bannten, so hat jedes Volk über sich einen solchen mathematisch zertheilten Begriffshimmel und versteht nun unter der Forderung der Wahrheit, dass jeder Begriffsgott nur in seiner Sphäre gesucht werde. Man darf hier den Menschen wohl bewundern als ein gewaltiges Baugenie, dem auf beweglichen Fundamenten und gleichsam auf fliessendem Wasser das Aufthürmen eines unendlich complicirten Begriffsdomes gelingt; freilich, um auf solchen Fundamenten Halt zu finden, muss es ein Bau, wie aus Spinnefäden sein, so zart, um von der Welle mit fortgetragen, so fest, um nicht von jedem Winde auseinander geblasen zu werden. Als Baugenie erhebt sich solcher Maassen der Mensch weit über die Biene: diese baut aus Wachs, das sie aus der Natur zusammenholt, er aus dem weit zarteren Stoffe der Begriffe, die er erst aus sich fabriciren muss. (über wahrheit und lüge im außermoralischen sinn [ link ])

wie verhält sich nun so ein dom zu einem blog? und wie verhält sich der "mathematische" begriffshimmel zur "semantic cloud", die sich zusmmaneballt aus dem semantischen dampf, der unwillkürlich über den gebrauchten zeichen zusammenballt und für die dauer ihrer existenz dann den viel flüchtigeren, viel verschwommeneren horizont für weiteren zeichengebrauch bildet (und von diesem verstärkt oder zerstreut, jedenfalls transformiert wird)?

und sind die blogger nicht kleine emsige staatenbildende / communitybildende insekten: manche bienen, manche termiten, manche bloß ameisen? mit "dung beetles" in der quasibiologischen "blogosphere" wurden sie ja bereits verglichen.

/ml (Blogging)


Frontier/Manila: kurze Anmerkungen

Was ich an Manila nicht mag:

  • Manila ist proprietär und kostet. Lizenz für Frontier: USD 899, sogar die Academic License kostet USD 299. Das sehe ich nicht ein, ganz unabhängig davon, ob die Mittel dazu da wären oder nicht (was sie ja eh nicht sind)
  • Manila hat, soweit ich weiß, eine eigene komische Datenbank. Das muss nicht sein.
  • Manila gibt's nicht für Linux. Das seh ich auch nicht ein.
  • Außer Konkurrenz (weil das weniger Manila, sehr wohl aber Winer-Produkte im Allgemeinen betrifft): die bisherigen Erfahrungen im Desktop-Testbetrieb mit Userland:
    • Templates: crap (sowohl ästhetisch wie auch technisch; validier mal eine x-beliebige Userland-Seite)
    • Makros: crap (s.o.)
    • Die Verzeichnisstruktur (betrifft Kategorien) ist sehr sensibel. Wenn es Synchronisierungsprobleme mit dem Server gibt (und die gibt es oft) zerbröseln leicht Strukturen. Verdoppelungen, Verluste.
    • Userland hat mich gelehrt, dass es unter XP sehr wohl recht häufig zu Blue Screens kommt
  • Dave Winer
  • Dave Winer

Demgegenüber Movable Type (oder auch antville):

  • open source bzw. free
  • vernünftige Datenbank im Rücken (MySQL, aber auch Alternativen möglich, in beiden Fällen)
  • kein Dave Winer
  • kein Dave Winer

Es gäbe da noch mehr zu sagen, aber das wär's mal fürs Erste.

/mf

(Sorry, wenn das cranky klingt -- hab Zahnweh)


Fiedler über Manila & MT?

Hi Martin,

ich kann die Fiedler-Diskussion MovableType vs. Manila nicht finden - ein Link wäre eine feine Sache. Kannst du den reproduzieren?

Ich möchte die von dir angesprochene Diskussion erst lesen, bevor ich hier eine große Grundsatzdebatte anzettle -- derweil nur so viel: es gibt aus meiner Sicht sehr viele sehr triftige Gründe, die gegen Frontier/Manila sprechen (auch wenn Peter Baumgartner Manila fährt). Userland (unsere Testseite hier) ist übrigens Winers Hosting-Service.

/mf


semantic edu-blogging

für die diejenigen unter uns (hallo theo!), die sich für edu-blogs interessieren, gibt es diese zentrale meta-ressourcen-blog-community, eigentlich 95% angelsächsisch, aber koordiniert von sebastian fiedler, medienpädagogik-doktorand in augsburg, nebenbei bekennender konstruktivist.

fiedler diskutiert auch die vorteile von frontier/manila (seine plattform) gegenüber movable type (für edu-blogs). any comments? und von da bin ich, über die zwischenstation florida state university, auf das meta-blog über "semantic blogging" von hewlett packard-leuten gestoßen: da scheint einiges an material vernetzt zu sein, das auch in mediatope gelandet ist.

/ml (Blogging, Materialsammlung)


Release: Morphix-NLP 1.0

Das ist zwar ein bisschen off-topic (noch: vielleicht entwickelt sich auf unserer Seite ja auch noch eine kleine Humanities Computing- oder Computerphilologie-Abteilung) -- aber jedenfalls so extrem cool, dass ich es hier aufheben muss: Morphix-NLP, eine knoppix-basierte Linux Live-CD, vollgestopft mit 640+ MB NLP-Analyse- und -Verarbeitungs-Tools, zusammengestellt von Zhang Le. [ via /. ]

Links: Ausführliche Besprechung, Grundsätzliches über Linux und NLP.

/mf (Materialsammlung, urgent downloads)


WSIS: Social-Engineering-Aktivisten zeigen Security- und Privacy-Probleme auf

Einer Gruppe von Aktivisten ist es gelungen, sich in geschlossene WSIS-Meetings einzuschmuggeln. Dabei geht es nicht nur darum, dass es möglich war, das Sicherheitssystem zu umgehen; wie sich herausstellte, sind die Ausweiskarten der Teilnehmer RFID-getagged. Da die Profile der Teilnehmer nicht auf einem Chip auf der Karte, sondern zentral in einer Datenbank gespeichert werden, liegen damit implizit Bewegungs- und Kontaktmuster des ganzen Gipfels vor. Kritisiert wird vor allem, dass das System ohne diesbezügliche Informationen oder gar Diskussionen eingeführt wurde. [ via /. ]

P.S.: HIGHNOON is go!

/mf (Informationsethik)