letzte Änderung: 01.01.07; 16:56:55.
Kunstspaziergänge
Spaziergänge in Berlin und Umgebung
        

Freitag, 1. Dezember 2006

Stadtgeschichten (14)

Spontan rief ich aus: Ziemlich entrüstet bei Gott, darf man angesichts solcher goldenen Firmeninschrift-Barbareien sein, die ringsumliegender Ländlichkeit ein Gepräge von Habsucht, Geldgier, elender Seelenverrohung aufdrücken. Hat ein Bäckermeister wirklich nötig, so großartig aufzutreten, mit törichter Ankündigung in der Sonne zu strahlen und glitzern, wie eine putzsüchtige zweifelhafte Dame? Backe und knete er doch sein Brot in ehrlicher, vernünftiger Bescheidenheit. In was für Schwindelzuständen fangen wir an zu leben, wenn von Gemeinden, Nachbarschaft, Behörden und öffentlicher Meinung nicht nur geduldet, sondern unglücklicherweise offenbar noch gepriesen wird, was jeden Sinn für Gefälligkeit, jeden Schönheits- und Biedersinn beleidigt, was krankhaft großtut, sich ein lächerliches, klägliches Lumpenansehen verleihen zu sollen glaubt, das auf hundert Meter in die gute Luft hinausschreit: Der und der bin ich! Habe soundsoviel Geld und nehme mir heraus, unangenehm aufzufallen. Zwar bin ich mit meinem häßlichen Prunken sicherlich ein Lümmel, Tölpel, geschmacksarmer Kerl. Doch wird mir kaum irgendwer zu verbieten haben, tölpelhaft zu sein.
Stehen weithinleuchtende, abscheulich prahlende Goldbuchstaben in irgendwelchem annehmbaren, ehrlich gerechtfertigten Verhältnis oder in irgendeiner gesunden verwandtschaftlichen Beziehung zu --- Brot? Mitnichten.
(R. Walser in "Der Spaziergang")

Brezeln
6:23:33 PM    comment []

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