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Donnerstag, 2. November 2006 |
Preußisch Blau Berlin
Holger Bär in der Galerie Deschler
Holger Bärs neue Bilder zeigen großformatige Ansichten Berlins. Der Titel der Ausstellung bezieht sich zum einen auf die Farbgebung der Bilder: Sie sind ganz in Weiß, Grautönen und in dem dunklen Blau gemalt, das seinen Namen den Uniformröcken der preußischen Armee verdankt. Inhaltlich spielt der Titel auf den geschichtlichen deutschen Staat an, in dem sich oft die konservativsten und fortschrittlichsten Tendenzen gegenüberstanden. Diese Verzahnung von Tradition und Moderne ist auch im heutigen Stadtbild Berlins deutlich sichtbar. Bärs Interesse gilt den urbanen Prozessen, die seit der Wende in Berlin besonders rasant verlaufen sind und in vielen Hinsichten die vorher über Jahrzehnte fast eingefrorene Stadtlandschaft eindrucksvoll umgestaltet haben.
Das Ineinandergreifen von alten und neuen Strukturen entspricht Bärs künstlerischem Arbeitsprozess, der weit mehr ist als bloß ein Verfahren. Ausgangspunkt der Arbeiten sind digitale Schnappschüsse der Stadt, die am Computer manipuliert und dann von speziellen Malmaschinen, die Bär in jahrelanger Arbeit entwickelt hat, Pixel für Pixel, Pinselstrich für Pinselstrich auf die Leinwand übertragen werden. Bärs Vorgehensweise bewirkt somit also eine Rückübersetzung der digitalen Vorlagen in das traditionelle (analoge) Medium der Olmalerei. Die gleichzeitige Vergrößerung der Motive verleiht ihnen zudem eine Monurnentalität und Präsenz, die weit über die von Gelegenheitsaufnahmen hinausgeht.
Durch ihre blau-graue Farbgebung und Körnigkeit erinnern Bärs Bilder an die verschwommenen Aufnahmen von Überwachungskameras, wie sie im städtischen Umfeld allerortens anzutreffen sind und die zusammen ein eng geknüpftes Netz über die ganze Stadt spannen. Dies macht sie angesichts der gerade wieder entbrannten Diskussion um staatliche Überwachung, innere Sicherheit, Rasterfahndung und die gefährliche Aufweichung der Grenzen zwischen dem öffentlichen Bereich und privater Sphären hochgradig brisant. Aufgeworfen werden zudem Fragen hinsichtlich der visuellen Wahrnehmungskultur unserer Zeit, einer Zeit, in der die allgegenwärtigen Digitalkameras kaum mehr bewältigbare Bilderfluten hervorgebracht haben und durch die Mühelosigkeit des Fotografierens eine Art visueller Wegwerfkultur entstanden ist.
(Text: Martin Oskar Kramer, Informationsblatt in der Ausstellung)
7:20:32 PM
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