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Samstag, 4. November 2006 |
Marwan
KHADDOUSCH oder DAS UNBEKANNTE FRÜHWERK
Aquarelle und Zeichnungen 1962 - 1971
Die Ausstellung ... verdeutlicht ... den Übergang des Künstlers von der Abstraktion zur Figuration. In seinen frühesten Arbeiten, die zum Teil einen skizzenhaften Charakter haben, sind die auf ihnen dargestellten Gebilde, aus denen sich mit der Zeit Figuren entwickeln, ein integrer Teil der Landschaft. Nachdem sich die Figur von der Landschaft, also von der Natur, getrennt hat, scheint sie in den leeren Räumen wie aus ihrem natürlichen Kontext herausgerissen, einsam und verloren, völlig deplaziert zu sein. Das was sie mit der Landschaft noch verbindet, sind die erdigen Töne ihrer Haut, Kleidung, der Vor- und Hintergründe, von denen viele in der Farbigkeit an Gewürzstände in den orientalischen Basars erinnern. Andererseits kann die Loslösung von der Natur die Figur vor ihrer eigenen Natur, vor allem vor den Trieben, nicht bewahren. Im Gegenteil: in einer künstlichen Umgebung, in einer neuen urbanen Welt, die den Sex nicht so restriktiv behandelt, lauert die Versuchung auf Schritt und Tritt, und vor allem im Schritt, denn die Figuren sind auf ihre Geschlechtsteile fixiert und ihren Trieben ausgeliefert. Männerköpfe werden von Damenbeinen in aufreizenden Strümpfen und Pumps umschlossen, den männlichen Figuren wachsen Penisse auf der Brust, Männer tragen Vaginenbilder im Kopf. Damit nicht genug: Es gibt eine ganze Reihe von Figuren, die wie Transvestiten aussehen, u.a. das im Titel der Ausstellung erwähnte Aquarell Khaddousch (1966), das den Namen des Kindermädchens des Künstlers aus seiner Damaszener Zeit trägt. Wie definiere ich mich als Individuum, wenn ich nicht einmal meine Geschlechtsidentität eindeutig definieren kann? Zwischen dem Weiblichen und Männlichen hin- und hergerissen, stehen Marwans Figuren sich selbst und ihrem Glück im Weg. Von ihren Trieben getrieben und gelähmt, in fremden leeren Räumen gefangen, sind sie unfähig, ihre Träume, Fantasien und Bedürfnisse mit dem anderen oder demselben Geschlecht auszuleben oder zu teilen. Sie scheinen lebenslang zur Einsamkeit verurteilt zu sein. "Was ich male, ist nicht traurig", sagt Marwan. "Es vielleicht etwas melancholisch. So wie eben ein Traum von einem Bild manchmal ist."
(Text von Urszula Usakowska-Wolff, mehr hier)
5:42:31 PM
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© Copyright 2006 Türschmann.
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