letzte Änderung: 01.12.06; 18:25:57.
Kunstspaziergänge
Spaziergänge in Berlin und Umgebung
        

Sonntag, 12. November 2006

2. Europäischer Monat der Fotografie
November 2006 (2)

Blick vom Alten Museum

Leopold Ahrendts
Blick vom Alten Museum über den Lustgarten auf das Schloss, 1856
Im Vordergrund die 1843 aufgestellte schwertschwingende Amazone von August Kiss
Stiftung Stadtmuseum Berlin

Bild und Abbild - Die Fotografien-Sammlung des Malers Eduard Gaertner

Hat er nun oder hat er nicht - nach Fotos gemalt? Die Frage stellt sich vor den Bildern von Eduard Gaertner eigentlich sofort, denn die detailgenaue Architektur des Berliner Künstlers sieht geradezu aus wie fotografiert. Gaertner, der wesentliche Vedutenmaler des deutschen Biedermeier: ein versessener Pünktchen- und Strichetupfer nach schwarzweißen Vorlagen?

Auch die aktuelle Ausstellung im Kunstforum der Berliner Volksbank scheint den Verdacht erst einmal zu belegen. "Bild und Abbild" versammelt insgesamt 77 historische Fotografien - Motive vorwiegend aus Berlin und Brandenburg, von denen wiederum ein Großteil aus Gaertners Schubladen stammt. Keine Schmuckbilder mit den Schauseiten repräsentativer Gebäude wie dem Schloss der Hohenzollern, Schinkels altem Museum am Lustgarten oder dem Spittelmarkt. Vielmehr wirken die unsignierten Ansichten wie Studien einer gelebten, urbanen Wirklichkeit, in der nur die Stadtbewohner fehlen, weil sie während der langen Belichtungszeiten aus dem Fokus der Kamera geraten sind.

Ein zweiter Blick auf die einzigartige Fotografie-Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin offenbart dann aber jenes Detail, das ebenso wichtig für die Rezeption von Gaertners Werk wie für die fotografischen Dokumente ist: Es geht um die zeitliche Differenz ihrer Entstehung. Von 1851 nämlich stammt die früheste ausgestellte Ablichtung, auf der man einen Abschnitt des Boulevards Unter den Linden samt ehernem Reiterdenkmal Friedrichs des Großen erkennt. Ein anonymer Abzug, der erst entstanden ist, nachdem der Maler bereits einen großen Teil seiner Veduten vollendet hatte. Schließlich galt Gaertner nicht erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ein exzellenter Schilderer der Architektur in lichterfüllter Atmosphäre. Für sein genaues Auge und eine ruhige Hand hatte bereits seine Ausbildung an der Königlichen Porzellanmanufaktur gesorgt. 1870 zog der Künstler ins ländliche Flecken Zechlin. Berlin war hektisch geworden und die boomende Fotografie eines F. Albert Schwartz oder Leopold Ahrendts zur ernsten Konkurrenz der malenden Zunft geworden. Dabei zeigen Gaertners rare Gemälde in der Ausstellung, dass seine subjektiv erfassten Stadtpanoramen weit schöpferischer mit dem Sichtbaren umgehen als die Fotografien. Letztere aber waren billiger, jünger, unschlagbar en vogue.

Nicht zuletzt, und eben das macht der Abgleich von "Bild und Abbild" deutlich, nahmen die Fotografen dieselben Perspektiven ein, wie Gaertner sie Jahre zuvor schon für seine Ansichten wählte. Das Foto hat also auch hier von der Malerei gelernt und nicht umgekehrt - so wie das technische Medium in seinen Anfangsjahren mit allen Mitteln impressionistische Stimmungen und Effekte zu imitieren versuchte, weil es Kunst sein wollte. Bevor es zu einer autonomen Sprache fand.
(Christiane Meixner in der Welt)


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